
Massaker im Arnsberger Wald
Ein neues Buch klärt über die Morde an mehr als 200 Zwangsarbeitern auf, die kurz vor Kriegsende von SS- und Wehrmachtssoldaten begangen wurden.
Vera Bessan aus Belarus ist eines der Opfer des Massakers im Arnsberger Wald. Kurz vor ihrem 22. Geburtstag wurde die Frau aus Belarus, die zuvor in Schwerte gearbeitet hatte, erschossen und in einem Massengrab verscharrt. Zwischen dem 21. und 23. März 1945 ermordeten Angehörige der „Division zur Vergeltung“, die aus SS- und Wehrmachtsoldaten bestand, in Suttrop bei Warstein und Eversberg bei Meschede insgesamt 208 osteuropäische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, darunter auch Jugendliche, Kinder und einen Säugling. Das Verbrechen zählt zu den schwerwiegendsten kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs im damaligen Deutschen Reich. Das neu erschienene Buch „Die Toten von Meschede“ des Historikers Dr. Marcus Weidner fasst die Ergebnisse langjähriger wissenschaftlicher Forschung zusammen – über die Morde, ihre Hintergründe und ihre Folgen.
„Der LWL nimmt mit seinen Forschungen eine gesellschaftliche Verantwortung an“, sagte der Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Georg Lunemann, bei der Vorstellung der Publikation, die Marcus Weidner für das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte in Münster erstellt hat. Der LWL fördere solche Projekte, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. „Wir erleben seit einigen Jahren die Verharmlosung der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und der NS-Diktatur. Gerade aber die Mordaktionen sind beispielhaft für einen schmerzlichen Teil unserer Geschichte, dem wir uns stellen müssen – mit Blick auf das Kriegsende am 8. Mai vor 80 Jahren, aber auch mit Blick auf Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit heute“, so Lunemann weiter.
Zehn Jahre Forschungsarbeit

Der Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte Prof. Dr. Malte Thießen, der Historiker Dr. Marcus Weidner und der Direktor des LWL Dr. Georg Lunemann (v. li.) bei der Vorstellung des Buchs „Die Toten von Meschede“. Foto: LWL
Rund zehn Jahre lang forschte der LWL-Historiker Weidner über das Verbrechen, recherchierte in Archiven im In- und Ausland und wertete Zeitzeugen-Berichte und die Ergebnisse der Grabungen aus, die die LWL-Archäologie von 2018 bis 2021 an den Tatorten vorgenommen hat. Die Forschungen verdeutlichen auch das Ausmaß und die Skrupellosigkeit der Verbrechen von 1945: „Die Taten waren monströs, aber geplant und im rassistischen Weltbild des Nationalsozialismus begründet. Außerhalb von Gefängnissen, Konzentrationslagern und Todesmärschen sind diese wahllosen Morde das schlimmste bekannte Kriegsendphaseverbrechen an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern“, sagt Marcus Weidner.
Prof. Dr. Malte Thiessen, der Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte, nannte Weidners Buch eine „wegweisende Studie“, die helfe, Wissenslücken in der Fläche zu schließen. „Es geht nicht nur um das Ereignis selbst, sondern auch um das Danach“, so Thiessen. Denn Weidner untersuchte auch die juristische Aufarbeitung und die Geschichte des Gedenkens vor Ort.
Basis für Erinnerungskultur
Zwar hatten tausende Menschen von der Tat erfahren. Unter anderem führten die Alliierten die Bevölkerung 1945 zwangsweise an den Leichen vorbei. Ein Gerichtsprozess in den 1950er Jahren erregte bundesweit Aufsehen. Doch in Warstein und Meschede wurde lange Zeit viel dafür getan, dass vor Ort nichts an die Morde erinnert. Erst seit den 1980er Jahren wurde der osteuropäischen Mordopfer gedacht.
Weidners knapp 1000 Seiten starkes Buch soll zukünftigem Erinnern und Gedenken eine solide historische Basis geben. Einige Angehörige der Ermordeten erhielten erst nach rund 80 Jahren durch die Forschung Gewissheit über deren Schicksal. „73 Namen kennen wir mittlerweile“, sagt Weidner. Einer davon ist der Name von Vera Bessan.
maz/wsp
Marcus Weidner: Die Toten von Meschede. Ein Kriegsendphaseverbrechen im März 1945: Rekonstruktion, Strafverfolgung, Erinnerungskultur. Forschungen zur Regionalgeschichte Band 9. 2025. ca. 980 Seiten, 44,90 Euro