Wie wird das geplante 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr finanziert. Das ist eine entscheidende Frage, die die Politik noch beantworten muss. Foto: pixabay
26.10.2022

Massive Auswirkungen auf Tarifstrukturen

Bahnfahren kann einfach und günstig sein – das hat das 9-Euro-Ticket in diesem Sommer gezeigt. Beim geplanten Nachfolger, dem 49-Euro-Ticket, sind noch viele Fragen offen – auch bei den Verkehrsverbünden der Region.

Dabei geht es vor allem um die Finanzierung. 1,5 Milliarden Euro sollen vom Bund kommen, die gleiche Summe sollen die Länder aufbringen. Voraussichtlich wird die Ministerpräsidentenkonferenz am 2. November, an der auch Bundeskanzler Olaf Scholz teilnehmen wird, über die zukünftige Finanzierung des Nahverkehrs verhandeln.

Die Ververkehrsverbünde in der Region stehen einem neuen günstigen Nahverkehrsticket grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings betonen sie auch, dass eine Umsetzung von der Finanzierung abhänge. Zuletzt machte Jose Luis Castrillo, für Tarife zuständiger Vorstand beim Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR), die Zustimmung des VRR zu einem Nachfolgeticket von diesem Punkt abhängig. „Wenn es nicht eine ausreichende Finanzierung gibt, kann ich meinen Gremien eigentlich nicht vorschlagen, ein solches Konzept abzusegnen“, zitiert die Rheinische Post den Manager.

„Ohne eine gesicherte und ausreichende Finanzierung ist eine Umsetzung des 49-Euro-Tickets nicht leistbar. Denn die Liquidität der Verkehrsunternehmen muss gewährleistet sein, damit diese ihre Leistungen wie gewohnt erbringen können“, sagt auch eine Sprecherin des Westfalentarif gegenüber dem Westfalenspiegel. Die aktuelle Finanzierungssituation sei für die Verkehrsunternehmen aufgrund der pandemiebedingten Nachfrageeinbrüche und der erheblich gestiegenen Energie- und Personalkosten bereits sehr angespannt.

Hohe Verluste drohen

So rechnete Castrillo der Rheinischen Post für den VRR vor, dass dem Verbund ein Defizit von 520 Millionen Euro in 2023 drohen würde, für den Fall, dass der Start des 49-Euro-Tickets und weitere Einnahmeverluste wegen der Corona-Spätfolgen nicht ausgeglichen würden. In einem Gespräch mit Grünen-Politikern aus dem Kreis Coesfeld hatte der Geschäftsführer des Zweckverbands Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), Joachim Künzel, bereits zu Beginn des Monats deutlich gemacht, dass es um den ÖPNV aktuell nicht gut bestellt sei.

„Für die kommenden 10 Jahre fehlen dem NWL nach aktuellen Planungen 900 Millionen Euro, um den bestehenden Verkehr weiter zu gewährleisten. Da haben wir noch kein zusätzliches Projekt zur Verkehrswende umgesetzt. Vielmehr müsse man sich wahrscheinlich schon für das Jahr 2023 mit der Abbestellung von Verkehren auseinandersetzen“, sagte Künzel. Für die schwierige Lage führte er zwei Gründe an: Einerseits seien die Kosten für die Bereitstellung des ÖPNV in den Bereichen Personal, Schienenersatzverkehr und Energie deutlich gestiegen. Andererseits seien die vom Bund bereitgestellten Regionalisierungsmittel nicht angemessen an diese Kostenentwicklungen angepasst worden, teilt die Kreistagsfraktion der Grünen im Kreis Coesfeld mit.

„Eine Refinanzierung ist kaum mehr möglich“

Sowohl VRR als auch Westfalentarif gehen davon aus, dass die Einführung eines deutschlandweit gültigen 49-Euro-Tickets „massive Auswirkungen auf die bisherigen Tarifstrukturen“ haben werde. „Sollte das 49-Euro-Ticket beschlossen werden, ändern sich der ÖPNV und seine Finanzierung grundlegend. Denn die Refinanzierung von Dienstleistungen von Bus und Bahn über Fahrgeldeinnahmen ist bei einem 49-Euro-Ticket kaum mehr möglich“, so die Sprecherin des Westfalentarifs weiter. Welche Auswirkungen das auf das Ticketangebot und die Preisstruktur in der Region haben wird, wird aktuell bereits von den Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern beraten.

Auch Castrillo sagte in seinem Gespräch mit der Rheinischen Post: „Es wird eine Anpassung der Tarifstruktur über alle Kundensegmente hinweg geben müssen. Wir werden noch viel konsequenter auf Digitalisierung setzen und endlich auch alte Zöpfe wie beispielsweise Fahrtenkarten-Entwerter abschneiden. Aus meiner persönlichen Sicht müssen wir hier landesweit handeln.“

jüb/wsp

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