30.10.2020

„Massive Folgen für die Weltpolitik“

Dr. Matthias Freise ist Politikwissenschaftler an der Universität Münster. Im Interview spricht er über Auswirkungen der Trump-Präsidentschaft und den Einfluss der Corona-Pandemie auf den Wahlkampf.

Herr Dr. Freise, wie schätzen Sie die Bedeutung der Wahl ein?
Für die meisten Menschen dürfte es eine der wichtigsten Wahlen zu Lebzeiten sein. Wenn Trump gewinnt, wird das massive Folgen für die Weltpolitik haben. Trump hat „America First“, also die unbedingte Priorität Amerikas, zu seinem Leitgedanken gemacht. Vier weitere Jahre auf dieser Linie dürften Organisationen wie die Vereinten Nationen deutlich schwächen. Das transatlantische Bündnis würde einen schweren Schaden nehmen.

Ist Amerika stabil genug, um eine weitere Amtszeit von Trump auszuhalten?
Die Institutionen in den USA sind stabil und Trump konnte sie in den vergangenen Jahren nicht einfach ausschalten. Aber er hat angefangen, diese Institutionen zu beschädigen. Das bedeutet, dass er viele Ämter in amerikanischen Behörden nicht besetzt und damit faktisch arbeitsunfähig gemacht hat. Beispielsweise sind in den Ministerien viele Stellen vakant geblieben. Wenn so etwas dauerhaft passiert, können gesellschaftliche Institutionen langsam handlungsunfähig werden und erodieren.

Dr. Matthias Freise. Foto: IfPol, Uni Münster

Dr. Matthias Freise. Foto: IfPol, Uni Münster

Gibt es auch gesellschaftliche Auswirkungen der Trump-Präsidentschaft?
Trump wird stark von rechtsextremen Kräften unterstützt und hofiert sie mehr oder weniger offen. Diese Spaltung, die er vorantreibt, kann explodieren. Es gibt Unruhen von Minderheiten, dagegen polemisiert er. Menschen bilden Milizen, sie versuchen als eine Art Bürgerwehr, ein Ersatzrecht zu implementieren. 

Was kann Trump gut?
Trump ist ein begnadeter Selbstdarsteller und ihm ist es gelungen, Verdienste der Obama-Regierung als seine eigenen zu verkaufen; zum Beispiel den wirtschaftlichen Aufschwung. Er gilt als Deal-Maker, der Dinge umsetzt. Er bedient einen gefährlichen Patriotismus und ist gut darin, Menschen anzusprechen, die von der Politik enttäuscht sind. Es gibt in den USA einen großen Frust über die etablierten Parteien. Trump hat sich als Außenseiter dargestellt, der das System umkrempelt.

Hat die Corona-Pandemie Trump entzaubert?
Im Februar hätte ich noch darauf gewettet, dass Trump wiedergewählt wird. Die Wirtschaft und die Einkommen haben sich positiv entwickelt und das sind erfahrungsgemäß die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Amtszeit. Nun deutet vieles darauf hin, dass Trumps Umgang mit der Corona-Pandemie ihn die Wahl kosten wird. Aber egal wie die Entscheidung ausgeht: die Vereinigten Staaten werden nach der Wahl gesellschaftlich tief gespalten zurückbleiben.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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