Neven Subotić setzt sich mit seiner Stiftung für den Zugang zu sauberem Trinkwasser ein. Foto: Neven Subotić Stiftung
21.03.2023

Mensch Subotić

Wie aus dem ehemaligen Fußballprofi von Borussia Dortmund ein Stiftungsgründer wurde. 

Es ist ein Heimspiel für Neven Subotić: Als der ehemalige Fußballprofi des Bundesligisten Borussia Dortmund die Bühne des domicil in der Dortmunder Innenstadt im Rahmen des Lesart-Festivals betritt, gibt es kein Halten mehr. Noch bevor er ein Wort aus seinem Buch „Alles geben“ vorgelesen hat, brandet lauter Applaus auf. Subotić, grauer Pullover, dunkle Chinohose, nimmt ihn fast schüchtern entgegen.

Das ist verwunderlich, denn da oben steht ein Mensch, dem vor wenigen Jahren noch jedes Wochenende 80.000 Menschen zugejubelt haben. Subotić kennt den Applaus, weiß, wie es sich anfühlt, als Held verehrt zu werden. Schließlich hat er mit dem BVB die deutsche Meisterschaft gewonnen, stand im Champions League Finale, hat für die serbische Nationalmannschaft gekickt. Aber da oben steht eben auch einer, der 1990 als kleiner Junge mit seinen Eltern aus Jugoslawien nach Deutschland geflohen ist und der später mit ihnen in die USA ausreiste, um einer drohenden Abschiebung zu entgehen. Einer, der weiß, dass es mehr zum Heldsein braucht als einen Ball und grünen Rasen.

Vom Mangel in den Überfluss

Nach der Flucht aus Jugoslawien landete die Familie Subotić zunächst in der Nähe von Pforzheim. Vater und Mutter nahmen fast jeden Job an, um die Familie durchzubringen, um den Neven und seiner Schwester Teilhabe zu ermöglichen. In Dortmund liest Neven Subotić vor, wie er auf ein Jo-Jo sparte, weil alle Mitschüler ein solches Spielgerät hatten. Als das Geld reichte, kaufte er sich eins. „… es war schwarz. Ich spielte damit, und es machte mir auch Spaß, aber die anderen hatten es schon wieder weggelegt.“ Sie fuhren inzwischen Inline-Skates.


Dieser Text ist aus Heft 6/2022 des WESTFALENSPIEGEL. Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Gerne senden wir Ihnen im Rahmen unseres Probeabos zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht es zum Probeabo.


Aus dem materiellen Mangel in der Kindheit rutschte er als junger Mann in den Überfluss. Schnelle Autos, teure Uhren, ein großes Haus, das er verschwenderisch allein bewohnte – auch Neven Subotić hat den ganzen Zirkus eines Fußballprofis mitgemacht. Er war 17 Jahre jung, als er seinen ersten Vertrag bei Mainz 05 unterschrieb. Er habe da schon sehr viel Geld verdient, sagt er auf der Dortmunder Bühne. Und: „Ich habe Orientierung gesucht. Die Leute in meiner Umgebung waren aber auch alle Fußballer, hatten viel Geld und gaben das für teures Zeug aus. Also habe ich das auch gemacht.“ In der Rückbetrachtung bezeichnet er sich selbst als „Figur“, die dachte: Reiche Leute kaufen teure Sachen und zeigen diese. Der Mensch Neven Subotić habe sich in dieser Zeit nicht weiterentwickelt.

„Schmerzhafter Prozess“

Alles geben – Warum der Weg zu einer gerechteren Welt bei uns selbst anfängt, Neven Subotić mit Sonja Hartwig, Kiwi-Verlag, 272 Seiten, 22 Euro

Alles geben – Warum der Weg zu einer gerechteren Welt bei uns selbst anfängt, Neven Subotić mit Sonja Hartwig, Kiwi-Verlag, 272 Seiten, 22 Euro

Das Buch zu schreiben, sei auch ein „schmerzhafter Prozess“ gewesen, erklärt der ehemalige Fußballer. Er habe sich ständig fragen müssen, welchen Themen er sich damals gewidmet habe, und wie er das heute bewertet. Die Szenerie, die Fußballprofis um sich herum aufbauen, wurde ihm zunehmend zuwider. Er wollte mehr, wollte etwas Sinnhaftes. Ihm reichte es nicht, einmal im Jahr in einer Kinderklinik Merchandising-Artikel seines Clubs zu verteilen. „Zum Glück habe ich Menschen getroffen, die mir gezeigt haben, wie man die Welt noch sehen kann.“

Vor zehn Jahren gründete Subotić eine eigene Stiftung, die dafür sorgt, dass Menschen in afrikanischen Ländern Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht wird. Er kickte noch weiter und verdiente weiter viel Geld, in Dortmund, Köln, Saint Etienne oder auch Berlin, wo er für Aufsehen sorgte, weil er als Union-Profi mit der Straßenbahn zum Training fuhr. „Ich wurde für etwas gefeiert, was Millionen von Menschen wie selbstverständlich jeden Tag machen“, sagt er kopfschüttelnd. Seine Reisen nach Äthiopien, dorthin, wo viele Projekte seiner Stiftung umgesetzt wurden, haben ihn geprägt. Vor allem die Begegnungen mit den Menschen dort, den wahren Helden, wie er sagt. Am Ende noch ein Eingeständnis: Auch er gibt nicht alles. Aber das wird auch nie möglich sein, so Subotić: „Und doch ist es das, wonach es sich lohnt zu streben.“

Jürgen Bröker

Die Neven Subotic Stiftung benennt sich um. Zukünftig wird sie „well:fair“ heißen. Die Wortkombination spiele mit dem ursprünglichen Begriff welfare (Sicherung der Lebensgrundlagen) und setze sich aus den englischen Begriffen well (für Brunnen, aber auch „gut“) und fair (dem allgemein bekannten Wort für gerecht) zusammen, so die Stiftung in einer Mitteilung. Damit ständen die gerechten Chancen auf ein gesundes und selbstbestimmtes Leben in Würde, für das der Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung Voraussetzung ist, im Vordergrund. Informationen zur Stiftungsarbeit gibt es hier: nevensuboticstiftung.de

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