Millionen bangen mit
Der Altenaer Peter Prange ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren der Gegenwart.
Peter Prange spielt am liebsten Gott. Er kann das am Schreibtisch. Wenn er Menschen und Schicksale erschafft und sie in der wirklichen Welt lieben, hoffen und bangen lässt, dann lieben, hoffen und bangen Millionen Leserinnen und Leser mit. Etwa bei der deutsch-deutschen Familiengeschichte „Das Bernstein-Amulett“. Oder bei „Unsere wunderbaren Jahre“, dem großen Deutschlandroman der Nachkriegszeit, der in Pranges Heimatstadt Altena spielt – beide aufwändig für die ARD verfilmt. Der Schriftsteller, 1955 geboren, ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren der Gegenwart. Weit über drei Millionen Mal wurden seine Bücher verkauft, in 24 Sprachen übersetzt.
„Die Ideen sind ein Geschenk“, sagt er. „Wenn ich morgens aufwache, öffne ich das Fenster und lasse mich von der Muse küssen.“ Dann schreibt er manchmal Seite um Seite wie in Trance. Doch die Muse ist nicht immer da. Er kennt auch Schreibblockkaden, durchwachte Nächte. Sein Weg zum Schriftsteller ist alles andere als geradlinig. Er studiert Romanistik, Germanistik und Philosophie, seine Dissertation schreibt er über die sexuelle Revolution im 18. Jahrhundert: „Eigentlich bin ich staatlich geprüfter Erotologe.“ Er übersetzt zunächst Bücher, arbeitet als Unternehmensberater. Doch sein Herz will anderes. „Meine Frau sagte, ich werde des Lebens nicht mehr froh, wenn ich es nicht probiere als Schriftsteller.“ Sein mutiger Entschluss: ein Jahr Auszeit nehmen, ein Buch schreiben. Als die Filmproduzentin Regina Ziegler das „Bernstein-Amulett“ als Stoff entdeckt, ist der Durchbruch geschafft.
Heimatstadt Altena
Gute Geschichten erkennt er schon als Kind. Er liest Karl May, mit zwölf Thomas Manns „Buddenbrooks“. Den echten Geschichten von echten Menschen lauscht er im Bettengeschäft seiner Eltern, vor allem, wenn er seinen Vater bei der Warenauslieferung begleitet. „Man lernt Menschen am besten im Schlafzimmer kennen“, meint Prange verschmitzt. „Beim Bettenkauf haben sie immer ihre Lebensgeschichte erzählt.“ Zehn Jahre lang hört er zu, den privaten, auch intimen Geschichten. „Davon zehre ich heute noch beim Schreiben.“ Aber auch von seinen Eltern fordert er Geschichten ein: „In unserer Familie wurde immer viel über den Krieg gesprochen. Sonntags kroch ich zu meinem Vater ins Bett und sagte: Erzähl mir von früher.“
Ohne diese Geschichten hätte er „Unsere wunderbaren Jahre“ nicht schreiben können, sagt Prange. Die Initialzündung zur Romanidee kam aber am 2. Januar 2002, als er an der Supermarktkasse das erste Mal mit Euro zahlte: eine Geschichte der Bundesrepublik vom ersten Tag der D-Mark bis zum Euro. „Ich hatte aber Sorge, dass es zu konstruiert sein könnte“, gesteht er. So verschwand die Idee zunächst zehn Jahre im Zettelkasten. Bis seine Mutter starb – und er im Nachlass die Liebesbriefe seiner Eltern fand. Nach anfänglichem Zögern las er sie. „Danach wusste ich, meine Geschichte musste in Altena spielen, in meiner Heimatstadt, mit den Geschichten meiner Eltern, meiner Tanten und Onkel.“
Seiner Heimatstadt bleibt er bis heute treu: „Weihnachten wird hier gefeiert“, bekennt er. „Und das Schützenfest auch. Dann tanzt man auf dem Tisch im Zelt mit 7.000 Menschen und der Schweiß tropft.“ Sein Schreibtisch aber steht schon lange in Tübingen. Dort entstand sein aktuelles Buch „Der Traumpalast“, das im Berlin der Weimarer Republik spielt, getrieben von der Frage: Wie konnte eine Kulturnation einen Barbaren wie Hitler an die Macht bringen? In den nächsten zwei Büchern will Prange von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg erzählen. Die zündende Idee hat die Muse schon gebracht.
Sabine Müller
Peter Prange liest unter anderem am 4. Juni im Kulturgut Haus Nottbeck in Oelde aus „Die Traumfabrik“ und am 9. August in Altena aus „Unsere wunderbaren Jahre“.
Ein Beitrag aus dem WESTFALENSPIEGEL 03/2023.