25.10.2023

„Mit dem Rücken zur Wand“

Bei der Unterbringung von Geflüchteten stoßen die Städte und Gemeinden an ihre Grenzen. Sie suchen händeringend nach Notunterkünften. 

In Bocholt können nun aber mobile Wohnunterkünfte für bis zu 250 Menschen errichten werden. Die Mehrheit der Bocholter hatte sich zuletzt in einem Bürgerentscheid für die Flüchtlingsunterkunft ausgesprochen. An der Abstimmung hatten sich 22.600 Bürgerinnen und Bürger beteiligt, das entspricht 39 Prozent der stimmberechtigten Bocholter Bevölkerung. Die Bürgerinitiative, die die Abstimmung gegen den Bau der Unterkunft initiiert hatte, will das Ergebnis akzeptieren, heißt es.

Auch in anderen Städten sind neue Flüchtlingsunterkünfte geplant. In Dortmund etwa entsteht in einem ehemaligen Hotel eine Einrichtung, die das Land betreiben wird. Dort soll zu Beginn des  kommenden Jahres eine neue Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Asylsuchende eröffnet werden. In den folgenden fünf Jahren können in dem Haus im Stadtteil Lütgendortmund dann bis zu 400 Geflüchtete untergebracht werden.

3000 neue Plätze bis Anfang 2024

Die Maßnahme in Dortmund ist Teil einer Vereinbarung von Landesregierung und kommunalen Spitzenverbände. Demnach sollen wegen der großen Zahl an Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, bis Anfang nächsten Jahres zusätzliche 3000 Plätze für Geflüchtete in Betrieb nehmen. Daher werden alle landesweit in Frage kommenden Liegenschaften mit Hochdruck geprüft, so die Stadt Dortmund. Das Hauptkriterium für die Auswahl neuer Objekte sei, wie schnell eine Inbetriebnahme erfolgen kann.

Der Betrieb einer Landesunterkunft für Asylsuchende bringt für Städte und Gemeinden eine Entlastung bei der kommunalen Zuweisung von Flüchtlingen mit sich, da die Kapazität der Landesunterunterkunft auf die Zuweisungsverpflichtung der Stadt angerechnet wird. Unter anderem deshalb haben auch andere Städte Immobilien für einen solchen Standort ins Gespräch gebracht. Medienberichten zufolge wollen etwa die Städte Gladbeck und Haltern am See eine entsprechende Unterkunft einrichten.

Kritik vom Städte- und Gemeindebund

In einem Interview mit der Rheinischen Post hatte der Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW und Bürgermister der Stadt Soest, Dr. Eckhard Ruthemeyer, zuletzt auf die schwierige Situation in den Kommunen hingewiesen: „Der Frust in den Städten und Gemeinden ist immens. Seit mehr als einem Jahr weisen sie darauf hin, dass sie mit dem Rücken zur Wand stehen, bekommen aber immer noch nicht die Hilfen, die sie brauchen. Viele suchen händeringend nach Notunterkünften. Die Schere zwischen unseren humanitären Verpflichtungen und den faktischen Möglichkeiten geht immer weiter auseinander.“

Unterdessen stellte das NRW-Fluchtministerium einen neuen Berater zur Prozessoptimierung und Strukturanalyse im Landesaufnahmesystem vor. Der ehemalige Staatssekretär Jürgen Mathies soll dabei helfen, für die Steuerung der Migration in Nordrhein-Westfalen die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, heißt es aus dem Ministerium von Josefine Paul. Eine erste Erkenntnis seiner Arbeit sei, dass die Bezirksregierungen bei der Akquise und Ertüchtigung von Unterkünften dringend Unterstützung durch baufachliche Beratung benötigen. „Ich bin optimistisch, dass wir gemeinsam mit allen Beteiligten den sehr komplexen und herausfordernden Prozess der Aufnahme und Unterbringung der vielen Schutzsuchenden so optimieren können, dass wir die Kommunen ein Stück weit entlasten können“, sagte Mathies bei seiner Vorstellung. Von 2017 bis 2022 war er Staatssekretär im Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen. Zuvor amtierte er als Polizeipräsident von Köln.

jüb, wsp

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