„Mit einem Federstrich abgeschafft“
Museumsbesuche sind Corona-bedingt zurzeit nicht möglich. Auch die Kunstvermittlung und die pädagogischen Angebote der Ausstellungshäuser stehen still. Ein großer Verlust sei das, sagt der Leiter des Mindener Museums, Philipp Koch, im Interview mit dem WESTFALENSPIEGEL.
Herr Koch, seit dem 2. November ist das Mindener Museum geschlossen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Ich kann die Kontaktbeschränkungen und die Museumsschließungen nachvollziehen. Eine Ungerechtigkeit sehe ich aber beim Thema kulturelle Bildung. Die Vermittlungsarbeit von Musikschulen und Bibliotheken oder auch der Theaterpädagogik darf unter den Hygiene- und Abstandsregeln in Schulen oder vor Ort in den Einrichtungen stattfinden. Für die Museen gibt es keine Ausnahme, obwohl wir über große Ausstellungs- und Pädagogikräume, teilweise mit Lüftungsanlagen und Hygienekonzepten verfügen. Das Risiko, sich unter diesen Bedingungen anzustecken, ist sicherlich geringer als in manchem Kita- oder Klassenraum.
Warum ist Ihnen das Thema kulturelle Bildung so wichtig?
Die Vermittlungsarbeit steht im Mindener Museum im Mittelpunkt und ist Teil eines kulturellen Gesamtkonzepts der Stadt Minden, das vom Land NRW bereits vielfach ausgezeichnet worden ist. Mit Projekten, Workshops oder auch Ferienspielen eröffnen wir vor allem Kindern und Jugendlichen kulturelle Erlebnisse und bieten wichtige Lernerfahrungen. Zuletzt gab es beispielsweise ein Projekt zum Thema Denkmäler. Schülerinnen und Schüler des Mindener Ratsgymnasiums haben draußen im Stadtraum und im Museum zu diesem Thema recherchiert.
Das kann nun nicht mehr stattfinden. Welche Auswirkungen befürchten Sie?
Meine größte Sorge ist, dass wir als Museum in diesem Bereich langfristig abgehängt werden. Unser Engagement für die kulturelle Bildung und die Vermittlungsarbeit durch unsere Museumspädagogin wurden mit einem Federstrich und ohne Ausnahmen abgeschafft. Das wirft uns und viele andere Einrichtungen um Jahre zurück.
Warum hat die Politik diesem Bereich nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet?
Die kulturelle Bildung allgemein und vor allem in Museen steht offenbar nicht oben auf der Agenda der Politik. Dabei sorgen wir im Sinne einer präventiven Kulturpolitik für Bildungsgerechtigkeit. Studien zeigen, dass nur acht bis zehn Prozent der Bevölkerung regelmäßig ins Museum gehen; viele Menschen verbinden gerade diese Einrichtungen ausschließlich mit einer anspruchsvollen und schwierigen Kultur. Wir hingegen schaffen Anknüpfungspunkte zur Kultur für Kinder, die zu Hause nicht diese Möglichkeiten haben.
Können digitale Angebote die Vermittlungsarbeit ersetzen?
Das Mindener Museum bietet einen digitalen Rundgang durch die Ausstellung und hat nun auch einen Instagram-Kanal. Das sind für uns wichtige Möglichkeiten, um mit Besucherinnen und Besuchern sowie Freundinnen und Freunden des Museums in Kontakt zu bleiben. Das Museumserlebnis und unsere pädagogische Arbeit kann das aber nicht ersetzen.
Interview: Annette Kiehl, wsp