Cover des Katalogs zur Ausstellung "Verschwörungstheorien" im Kloster Dalheim. Die Schau war ein Publikumserfolg, ist aber inzwischen beendet. Foto: Screenshot vom Katalog-Cover
06.08.2020

Mit Fleiß gegen Verschwörungstheorien

Alexander Waschkau ist Psychologe und Experte für Verschwörungstheorien. Im Interview mit westfalenspiegel.de spricht er über Prominente als Wegbereiter für Verschwörungsmythen und darüber, was man den verrückten Ideen entgegensetzen kann.

Herr Waschkau, Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur: Weshalb eignet sich die Corona-Pandemie für die Anhänger solcher Theorien?
Verschwörungsmythen haben immer in gesellschaftlich unruhigen Zeiten Konjunktur. Die aktuelle hyperkomplexe Pandemiesituation bedeutet nie dagewesene Einschränkungen in das individuelle Leben und in die Grundrechte. Viele Menschen haben berechtigte gesundheitliche und existentielle Sorgen. War man schon vorher kritisch gegenüber der bestehenden Regierung eingestellt, kann nun diese Haltung dazu führen, dass man angeblichen Erklärungen oder gar an eine Schuld der Regierung lieber glauben möchte, als an ein Virus. Derzeit kann man dazu viele Meldungen, gerade in den sozialen Netzwerken, finden, die diese Ansicht stützen. Dabei wird es immer weniger wichtig, ob diese Meldungen stimmen. Wir nennen das in der Psychologie „confirmation bias“, also Bestätigungsfehler.

Psychologe und Experte für Verschwörungstheorien, Alexander Waschkau. Foto: hoaxilla.com

Psychologe und Experte für Verschwörungstheorien, Alexander Waschkau. Foto: hoaxilla.com

Bill Gates, aber auch Politiker sind Ziel der Attacken – sind das typische Feindbilder der Verschwörungstheoretiker?
Ja. Bill Gates gehört zu den reichsten Menschen der Welt und ist zugleich eine Symbolfigur für die Globalisierung und eine Vernetzung der Welt, beides Punkte, die schon immer Misstrauen und Vorbehalte ausgelöst haben. Seit mehreren Jahren können wir beobachten, wie sich Populisten die Kritik an bestehenden politischen Führungen zu Nutze machen und mit einer „Anti-Haltung“ – die in der Regel ja auch nicht wirklich produktive Lösungen bietet – auf Stimmenfang gehen.

Die Anhänger dieser Theorien gehen auf die Straße, sie haben prominente „Lautsprecher“. Ist das neu?
Nein, neu ist die Entwicklung nicht. Schon immer gab es Prominente, die durch abwegige Meinungen und Ansichten aufgefallen sind. Leider wird hier auch die eigene Kompetenz bei diesen „Lautsprechern“ überschätzt. Die Wissenschaft arbeitet fieberhaft an einem Impfstoff bzw. an medikamentösen Lösungen zum Lindern der Auswirkungen von Covid-19. Antworten haben sie noch nicht, also warum sollte ein Sänger, ein Koch oder ein Choreograph diese Antworten haben? Tatsächlich kann aber ein Idol, das Unsinn verbreitet, eine Einflugschneise in das Thema Verschwörungsmythen sein. Fans folgen dem Aufruf, gehen in entsprechende Gruppen in den sozialen Medien und verlieren dabei den Kontakt zu verlässlichen Informationen. Im schlimmsten Fall kann so etwas zu Ereignissen, wie zuletzt in Hanau führen. Aktuell beginnen allerdings einige Prominente auch an die Vernunft zu appellieren und nutzen Ihre Reichweite, um verlässliche Informationen zu verteilen. Das könnte meiner Meinung nach viel häufiger geschehen.

Rechte Gruppierungen beteiligen sich an den Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen – welche Motive stecken dahinter?
Gerade die rechtsextremen Populisten in Deutschland hatten zu Beginn der Corona-Pandemie deutlich an Boden bei den Wählern verloren, da sie keinerlei Antworten auf die Krise hatten. Mit zunehmender Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger über die Einschränkungen konnten sie aber wieder zu ihrem alten Muster zurückkehren und durch Kritik am bestehenden System und unterstellten Fehler auf Seiten der Regierungen auf Stimmenfang gehen. Bedauerlich ist es, wenn vereinzelt Politiker aus etablierten demokratischen Parteien auf diesen Zug aufspringen. 

Alexander Waschkau bei der Podcast-Produktion. Foto: Hoaxilla.com

Alexander Waschkau bei der Podcast-Produktion. Foto: Hoaxilla.com

Was kann man den verrückten Ideen der Verschwörungstheoretiker entgegensetzen?
Die ehrliche Antwort muss hier leider lauten: „Durch Fleiß.“ Behauptungen von Verschwörungsideologen lassen sich in der Regel schnell auf der Sachebene beantworten und widerlegen. Allerdings handelt es sich meist um einen ganzen Reigen von Geschichten und Mythen und während man noch die ersten drei widerlegt, werden kontinuierlich neue Behauptungen aufgestellt. Eine gute Einstiegsfrage lautet meiner Erfahrung nach: „Was muss geschehen, damit Du von Deiner Meinung abrückst?“ Mit dieser Frage kann man die grundsätzlich Bereitschaft, vom Verschwörungsmythos abrücken zu wollen, ausloten. Wissenschaftler sind bereit auf der Basis von neuer Evidenz von einer Hypothese abzuweichen, Verschwörungsgläubige nicht. Das ist eine wichtige Unterscheidung.

Welche Menschen sind besonders empfänglich für die Theorien?
Die aktuelle Studienlage liefert Hinweise darauf, dass eher Männer an Verschwörungsmythen glauben als Frauen, und auch der Bildungsgrad scheint einen leichten Einfluss zu haben. Aber generell lässt sich festhalten, dass es eher Menschen sind, die ihre eigene Selbstwirksamkeit, also die Fähigkeit, direkt Einfluss auf ihr Leben zu nehmen, als gering einschätzen. Grundsätzlich kann aber jeder in die Gefahr von Radikalisierung durch Verschwörungsideologien geraten.

Wie geht man mit Menschen im eigenen Umfeld um, die sich von den Verschwörungstheoretikern einfangen lassen?
Im privaten Umfeld ist es wichtig, Verschwörungsmythen zu widersprechen und falsche Behauptungen nicht stehen zu lassen. Ideal wäre es dabei, nicht direkt auf einen Konfrontationskurs zu gehen, damit das Gegenüber gewillt bleibt, im Diskurs zu bleiben. Ist das verschwörerische Weltbild aber komplett geschlossen und gegen Kritik immunisiert, wird man diese Personen nicht mehr erreichen können.

Interview: Jürgen Bröker/wsp

Alexander Waschkau ist in Minden geboren und hat in Münster Psychologe studiert. Er gilt als Experte für Verschwörungstheorien. Schon vor seinem Umzug nach Hamburg hat er gemeinsam mit seiner Frau Alexa den Podcast „HOAXILLA. Der skeptische Podcast aus Münster“ produziert. Heute senden die beiden aus der Hansestadt. Waschkaus Motto lautet: „Immer schön skeptisch bleiben“.

Das Interview wurde zum ersten Mal am 14. Mai 2020 auf westfalenspiegel.de veröffentlicht

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