28.11.2012

Mit Sekt, Hundefutter und Bügelservice: Kioskclub-Gründer Kurt Wettengl über das Phänomen „Büdchen“

Dortmund (wh). Prof. Dr. Kurt Wettengl ist nicht nur Direktor des Dortmunder Ostwall Museums, sondern auch Mitbegründer des bundesweit ersten Kioskclubs. Der "1.Kioskclub Museum am Ostwall 06 e.V." hat es sich zur Aufgabe gemacht, das "Phänomen Kiosk" zu erforschen. Im Interview berichtet Wettengl über den Kiosk als sozialen Treffpunkt, die Kioskhochburg Dortmund und sein persönliches Lieblingsbüdchen.

Herr Wettengl, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Kioskclub zu gründen?
Die Idee entstand im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, bei der Dortmund ja ein wichtiger Austragungsort war. In diesem Jahr wollten wir im Ostwall Museum eine Ausstellung zeigen, die etwas ganz Ruhrgebietstypisches zum Thema hat " da kamen wir schnell auf das Phänomen Kiosk. Im Rahmen der Ausstellung ist dann der Verein entstanden.

Wie sieht das Vereinsleben in einem Kioskclub aus?
Der Verein hat ganz unterschiedliche Mitglieder. Da sind Künstler, Architekten, Stadtplaner, aber auch Menschen, die sich einfach so für den Kiosk interessieren, weil sie ihn von Kindheit an kennen. Wir treffen uns regelmäßig und machen dann zum Beispiel Stadtteilrundgänge, wie neulich in Hagen-Wehringhausen, einem Quartier, das einen unglaublichen Transformationsprozess durchläuft. Solch ein Strukturwandel schlägt sich auch auf die Kioske nieder.

Wie das?
Um beim Beispiel Wehringhausen zu bleiben: Der Stadtteil befindet sich in einem starken sozialen Wandel. Viele Leute ziehen weg, viele Ladenlokale stehen leer. In die Räume ziehen dann häufig Kioske ein. Auch das Warenangebot sagt immer etwas über die Sozialstruktur eines Stadtteils aus. In Wehringhausen gibt es oft das Allereinfachste: Bier, Eis, Lakritz, Schnaps und Zigaretten. Ein schönes Gegenbeispiel ist ein Kiosk am Heiligen Weg in Dortmund. Der steht ganz in der Nähe des Landgerichts und hat ein erstklassiges Sektangebot.

Die Verkäufer stellen sich also auf ihre Zielgruppe ein?
Das beobachten wir in der Tat immer häufiger. Die Besitzer schauen stärker hin, was die Leute wirklich wollen. Die Entwicklung geht weg von der Lakritzstange und hin zum Versorger des alltäglichen Bedarfs, bei dem es auch Lebensmittel und Hundefutter gibt. Im Frankfurter Westend, wo es viele Banken und Behörden gibt, haben wir bei einer von uns geführten Fahrradtour zu "Wasserhäuschen" einen Kiosk entdeckt, bei dem man sich die Hemden bügeln lassen kann. Der Kiosk ist also eine Art Mikrokosmos, der den Stadtteil spiegelt, der ihn umgibt.

In Ihrer Vereinssatzung beschreiben Sie den Kiosk als Ort der spezifischen Kommunikation. Was hat es damit auf sich?
Ein Kiosk ist immer auch ein sozialer Treffpunkt. Die meisten Kunden kommen aus der Nachbarschaft und wollen sich über Neuigkeiten austauschen. Das ist bei einer Tankstelle, zu der die Leute von weiter weg hinfahren, ganz anders. Außerdem gibt es bei vielen Kiosken noch diese ganz typische Luken-Situation: Der Verkauf durch die Luke führt zu einer 1:1-Situation, bei der immer ein einzelner Kunde dem Verkäufer gegenübersteht. So etwas gibt es im Supermarkt nicht. Da werden die Kunden an mehreren Kassen parallel abgearbeitet.

Viele Supermärkte haben mittlerweile bis spät in den Abend geöffnet, und das Warenangebot an Tankstellen wird auch immer größer. Werden Kioske zum Auslaufmodell?
Die Supermärkte und Tankstellen sind natürlich absolute Konkurrenten zum Kiosk. Die Kioske leben ja gerade davon, dass sie sich nicht an die Ladenöffnungszeiten halten müssen. Wenn jetzt auch die Supermärkte länger aufhaben und die Tankstellen ein vergleichbares Angebot haben, ist die Kioskkultur in Gefahr. Ich glaube aber trotzdem, dass der Kiosk als sozialer Treffpunkt nicht ersetzt werden kann.

Ihr Verein sitzt in Dortmund " der Kioskhauptstadt Deutschlands?
Ich schätze in Dortmund gibt es gut 300 Kioske, das ist schon eine hohe Zahl. Das gesamte Ruhrgebiet ist eine Kioskhochburg, aber auch im Rheinland, dem Frankfurter Großraum oder in Hamburg ist das Phänomen verwurzelt. In anderen Regionen hingegen " etwa rund um Stuttgart " sind Kioske kaum bekannt.

Haben Sie einen Lieblingskiosk?
Das ist natürlich der, wo ich wohne und immer meine Zeitung kaufe. Es gibt aber noch zwei weitere Kioske, die ich aus ästhetischen Gründen sehr mag: Einer steht am Wrangelplatz in Dortmund-Eving, ein ehemaliges Transformationshäuschen, das wie ein frei stehender Pilz aussieht. Und dann ist da noch der Bergmann-Kiosk am Dortmunder U. Das ist eine ehemalige Bushaltestelle im 50er-Jahre-Stil, die wunderschön saniert wurde.

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft, Kultur, Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin