Postkarte zum ersten Immenhof-Film 1955 Foto: Immenhof Museum/Mario Würz
15.03.2022

Mythos Immenhof

Dick und Dalli eroberten von Bocholt aus die Kinosäle. Denn die westfälische Autorin Ursula Bruns lieferte die Buchvorlage für die beliebte Filmreihe. 

Wer war in Dalli verliebt? Etliche Finger schnellen in die Höhe. Und wer in Ethelbert? Ein Lächeln huscht über viele Damengesichter, die etwas verstohlen die Hand heben. Der Torhaussaal des Kulturguts Nottbeck in Oelde ist gut besucht. Es war zu einem Film- und Literaturabend eingeladen worden, in dessen Mittelpunkt der Heimatfilm „Die Mädels vom Immenhof“ steht. Einmal mehr zeigt sich: Fast alle Anwesenden haben eine ganz persönliche, meist nostalgische Beziehung zu diesem Film. Auch 67 Jahre nach der Premiere 1955 wird er im Fernsehen zum x-ten Mal wiederholt. Entsprechend gut besucht ist „Immenhof-Museum“ im holsteinischen Malente. Wahre Fans bleiben Fans – offensichtlich für immer.

Was natürlich auch an den beteiligten Schauspielern liegt. Mit Heidi Brühl, Angelika Meissner, Matthias Fuchs und Paul Klinger waren seinerzeit wahre Stars der Leinwand beteiligt. Und mit Wolfgang Schleif einer der gefragtesten deutschen Regisseure jener Jahre. Der Erfolg war so groß, dass bald ein zweiter und dritter Immenhof-Spielfilm gedreht wurden. In den 1970er Jahren kamen „Die Zwillinge vom Immenhof“, „Frühling auf dem Immenhof“ und weitere Fortsetzungen bis 2019 hinzu, die allerdings nichts mehr mit der Original-Trilogie zu tun haben. Außer, dass sie in der norddeutschen Heide spielen. Für die Debütfilme war das ein Novum. Die frühen Heimatfilme sind meist in der Alpen- und Bergwelt angesiedelt oder wie die „Sissi“-Filme im Adelsmilieu.

„Dick und Dalli und die Ponys“

Dick und Dalli, BU: Die Stars der 1950er Jahre: Angelika Meissner-Voelkner (li.) als Dick und Heidi Brühl als Dalli   Foto: Immenhof Museum/Mario Würz

Dick und Dalli, BU: Die Stars der 1950er Jahre: Angelika Meissner-Voelkner (li.) als Dick und Heidi Brühl als Dalli   Foto: Immenhof Museum/Mario Würz

Was nur die wenigsten wissen – die Vorlage für den Filmklassiker lieferte das Buch der westfälischen Autorin Ursula Bruns. Ihr Jugendbuch „Dick und Dalli und die Ponys“ war drei Jahre vor dem Film erschienen. Es war und blieb ein Erfolgstitel. Über 30 Auflagen sind zu zählen, und auch 70 Jahre nach Erscheinen ist der Titel noch im Buchhandel präsent. Auch mit ihren weiteren Büchern war die 1922 in Bocholt geborene Autorin erfolgreich. Das galt ähnlich für ihr Erzähldebüt, „Hindernisse für Huberta“, mit mindestens 14 Auflagen. Schon hier zeigte Bruns, dass sie das Handwerk des Bücherschreibens scheinbar mühelos beherrschte.

Mit „Dick und Dalli und die Ponys“ aber gelang Bruns der Durchbruch. Das Buch beginnt damit, dass ein „Onkel Theo von nebenan“ mächtig über Ponys lästert. Sie seien bloß eine Spielerei und Luxus für reiche Leute, speziell für spleenige Amerikaner. Solche Vorurteile will die Erzählerin, die selbst ins Geschehen eingreift, nicht auf sich sitzen lassen. Sie entschließt sich kurzerhand, selbst ein Buch über Ponys zu schreiben. Darin spielen Dick und Dalli, zwei Waisenkinder, die bei ihrer Tante Mathilde und ihrer Großmutter auf einem Immenhof aufwachsen, die Hauptrolle.

Heiteres Idyll

Turbulent wird das heitere Idyll durch die Ankunft Ethelberts, eines verwöhnten Stadtjungen aus Frankfurt. Im Laufe des Romans lernt der verwöhnte, hypochondrische Junge, dass gesellschaftlicher Status und Reichtum nicht alles sind, sondern andere Werte zählen. Zum Schluss ist er geläutert und ein „richtiger Junge“, der menschliche Qualitäten und die Vorzüge der naturnahen Lebensweise auf dem Gutshof schätzen gelernt hat. Bruns beweist ein sicheres Gespür für Situationskomik. Sie schaue unmittelbar ins Herz ihrer Romanfiguren, wurde ihr bescheinigt, stelle Konflikte lebensecht und doch mit versöhnlichem Humor dar. Auch bei ihren ernsten Stoffen finde sie den richtigen Ton.

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Das gilt auch für ihren nächsten Titel, „13 alte Esel und der Sonnenhof“. Diesmal handelt es sich um ein „Problembuch“ auch für ältere Leser. Es spielt in einem Heim für vernachlässigte und schwer erziehbare Kinder. Dort regiert die Leiterin mit harter, unbarmherziger Hand, bis sie von einem Lebenskünstler und Vagabunden die schönen Seiten des Lebens kennenlernt. Auch diesmal klopfte der Film an. Mit Hans Albers und Marianne Hoppe in den Titelrollen sowie Karin Dor, Gunnar Möller und Günther Lüders waren erneut illustre Schauspieler beteiligt. Bruns ließ nur noch ein weiteres Jugendbuch folgen, „Der Zauberer von Amsterdam“. Es unterscheidet sich stark von ihren früheren Titeln. Im Mittelpunkt steht diesmal kein weiblicher Teenager, sondern ein anfangs 13-jähriger Junge, dessen Lebensweg nachgezeichnet wird. Die Handlung spielt diesmal in den Niederlanden und ist im 17. Jahrhundert angesiedelt. Erzählt wird, wie ein kränkelndes Waisenkind durch Mut, Fantasie und starken Willen seine Bestimmung im Reich der Wissenschaft findet.

Engagement für das Ponyreiten

Ursula Bruns Lesebuch, herausgegeben von Walter Gödden, Aisthesis Verlag, 153 S., 8,50 Euro. Foto: Aisthesis Verlag

Ursula Bruns Lesebuch, herausgegeben von Walter Gödden, Aisthesis Verlag, 153 S., 8,50 Euro. Foto: Aisthesis Verlag

Parallel zu ihrem literarischen Schreiben – dem noch rund 30 Übersetzungen aus dem Englischen hinzuzählen sind – wandte sich Bruns ihrer zweiten großen Passion zu, ihrem Engagement für das Ponyreiten und natürlichen Reit- und Zuchtmethoden. Sie besuchte internationale Ponykongresse, erwarb sich Verdienste als Hippologin und sorgte dafür, dass isländische Ponys in Deutschland heimisch wurden. Ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Mensch und Tier war in den 1950er Jahren noch nicht selbstverständlich. Bis in die 1920er Jahre war Reiten den Reichen vorbehalten. Nur Offiziere waren zu Reitturnieren zugelassen.

Bruns Engagement, das auch eine Öffnung des Reitsports für alle Bevölkerungsschichten einschloss, stieß vielerorts auf Befremden und massive Ablehnung. Doch Bruns blieb „westfälisch stur“. Die Pferdefachfrau Ute Over verglich sie mit einem Geysir, dessen eruptive Ausbrüche bei ihren Gegnern gefürchtet waren: „Zu scharf war ihr Verstand, zu geschliffen ihre Rede. Und ihr Temperament war einfach höllisch, wenn sie sich erst einmal in Rage geredet hatte. Niemand war sicher vor ihrem beißenden Zynismus, wenn er nicht gut gewappnet mit Argumenten mit ihr streiten wollte. Aber das, was Ursula Bruns erdacht, angeschoben, verwirklicht hat, kann man nicht tun, wenn man nur ‚lieb und freundlich‘ ist.“

Walter Gödden

 

 

Dieser Beitrag erschien in Heft 1/2022 des WESTFALENSPIEGEL. Ihnen gefällt was Sie hier lesen? Gerne schicken wir Ihnen zwei Ausgaben im Rahmen unseres Probeabos zu. Einfach hier bestellen.

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