02.05.2018

Nachfolger gesucht: Wohnungen, Büros und Kitas ersetzen in Innenstädten immer häufiger den Einzelhandel

Westfalen (wh). Was kommt, wenn Einzelhändler die Innenstädte verlassen? In aufgegebenen Kaufhäusern in Westfalen sind in den vergangenen Jahren neue Nutzungskonzepte entstanden. Auffällig ist: statt auf Einzelhandel setzen Städte nun verstärkt auf Wohnen, Büros oder auch auf Kinderbetreuung.

Abseits von Metropolen oder zentralen Großstädten haben es klassische Kaufhäuser heute schwer, sagt der Dortmunder Stadtplaner und Einzelhandelsspezialist Rolf Junker gegenüber dem Nachrichtenservice „Westfalen heute“: „Warenhäuser haben meist den Vorteil eines guten Standorts, aber das Einkaufsverhalten hat sich verändert. So besuchen die Kunden kaum noch die oberen Etagen, weil ihnen das zu aufwändig ist. Und vieles aus dem klassischen Warenhausangebot wird mittlerweile im Internet bestellt.“

Mit der Hertie-Insolvenz 2009 hat sich dieser Trend verstärkt: Zahlreiche Standorte in Westfalen wurden geschlossen und eine Nutzung durch Einzelhändler ist vielerorten nicht in Sicht. So hat die Stadt Hamm bereits vor einigen Jahren ein altes Horten-Kaufhaus abgerissen, um auf dem Grundstück eine neue Stadtbücherei zu errichten, und in Dortmund werden in Zukunft Studenten-Apartments das Karstadt-Technikhaus ersetzen.

In Lünen bedeutete die Schließung des Hertie-Kaufhauses, dass mitten in der Innenstadt ein dauerhafter Leerstand mit rund 13.000 Quadratmetern Nutzfläche drohte. Für die Stadt war das ein Schock, doch Junker nennt dies im Rückblick „eine Chance“. So rief die Stadt Lünen eine „Expertenwerkstatt“ mit Eigentümern, lokalen Akteuren und Experten ins Leben. Ziel war es, neue Ideen zu entwickeln und einen weiteren Abwärtstrend im Umfeld des kolossartige Gebäudes zu verhindern. Das Ergebnis: das Haus wurde radikal entkernt und verkleinert; ein Lichthof bildet nun den Mittelpunkt. 1,3 Millionen Euro investierte eine Wohnungsbaugesellschaft, so dass 2017 das neue Haus mit 3000 Quadratmeter Wohn- und 2600 Quadratmeter Gewerbefläche eröffnet wurde. Neben Geschäften sind dort auch eine Bank, Büros, Ärzte und Gastronomie vertreten. „Lünen hat vorbildlich gehandelt, indem sich die Stadt mutig für neue Ideen entschieden hat“, sagt Junker.

Ein ähnliches Konzept verfolgt aktuell die Stadt Recklinghausen. Nach zwei Jahren Leerstand soll dort das Karstadt-Gebäude zum „MarktQuartier“ umgebaut werden. Geplant ist, dass in Zukunft auf rund 30.000 Quadratmetern Grundfläche Büros, eine Kindertagesstätte, ein Hotel und betreutes Wohnen angesiedelt werden, um Leben in die Innenstadt zu bringen. Einzelhandelsgeschäfte werden hingegen nur noch ein Bestandteil im Mix sein. Und an das alte Karstadt-Haus soll in Zukunft nur noch die klassische Fassade erinnern.

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