Am Amtsgericht Hamm werden zum 1. Januar 2024 rund 140 Schöffen benötigt. Foto: Kiehl
09.02.2023

„Näher kann man kaum dran sein“

Deutschland sucht Schöffen und auch die westfälischen Städte werben um Freiwillige, die ab dem 1. Januar 2024 für fünf Jahre das Ehrenamt bei Gericht übernehmen möchten. Allein in Hamm werden rund 140 Schöffen benötigt.

Schöffen sind Laienrichter. Sie haben in der Regel nicht Jura studiert, sondern andere Berufe erlernt. Trotzdem entscheiden sie gemeinsam mit einem Berufsrichter oder einer Berufsrichterin über Verurteilungen und Strafmaß. Dabei bringen sie nicht mehr und nicht weniger ein als den „gesunden Menschenverstand“ und ihr Rechtsempfinden. „Es ist eines der wichtigsten Ehrenämter, die der Staat zu vergeben hat“, fasst Ai-Hua Taing, beim Rechtsamt der Stadt Hamm für die Schöffenwahl zuständig, die Bedeutung zusammen. Sie wirbt in diesen Tagen um Bewerberinnen und Bewerber für das Amt: „Als Schöffe erhält man einen tiefen Blick in die Rechtsprechung. Näher kann man kaum dran sein.“

„Eine besondere Verpflichtung“

Otmar Wulf ist seit rund vier Jahren als Schöffe „ganz nah dran“. Am Amtsgericht Hamm ist er als sogenannter Ersatzschöffe im Einsatz. Das bedeutet, dass er Sitzungstermine übernimmt, wenn ein Schöffe ausfällt. Einige Termine bei Gericht stehen bereits Monate im Voraus fest, zu manchen Sitzungen wird er kurzfristig geladen. Wenn das Ehrenamt ruft, wird Wulf von seiner beruflichen Tätigkeit als Leiter des Bürgeramtes in Hamm-Heessen freigestellt. Außer bei Erkrankungen, ist der Verwaltungsfachmann verpflichtet, bei Gericht zu erscheinen. „Das Schöffenamt ist eine besondere Verpflichtung und hebt sich damit von anderen Formen des bürgerschaftlichen Engagements deutlich ab“, berichtet Wulf. Für die kommende Wahlperiode von 2024 bis 2028 will er sich einmal mehr um das Amt bewerben. „Als Schöffe erhält man einen Einblick in gesellschaftliche Bereiche, mit denen man ansonsten kaum Berührungspunkte hat“, berichtet der 56-Jährige. Neben der Arbeit des Gerichtes sind das vor allem die Polizeiarbeit, aber auch die Lebensumstände von Angeklagten und soziale Benachteiligung.

Die Schöffen Siegfried Kamp-Halaßek und Otmar Wulf (rechts) sowie Ai-Hua Taing vom Rechtsamt der Stadt Hamm. Foto: Stefan Schwartländer / Stadt Hamm

Die Schöffen Siegfried Kamp-Halaßek und Otmar Wulf (rechts) sowie Ai-Hua Taing vom Rechtsamt der Stadt Hamm. Foto: Stefan Schwartländer / Stadt Hamm

Drogendelikte, Diebstahl und Betrug zählen zum „täglichen Brot“ bei den Sitzungen am Amtsgericht in Hamm. Als Schöffe kann Wulf in Abstimmung mit dem Richter bei Verhandlungen Fragen stellen. Bevor das Urteil gesprochen wird, beraten die Richter gemeinsam über eine mögliche Verurteilung und über das Strafmaß. Dabei haben die Laienrichter durchaus Macht: Mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit können sie das Urteil des Richters sogar kippen. „In den meisten Fällen herrscht Einigkeit. Es kommt aber immer mal wieder vor, dass wir Schöffen das Strafmaß beeinflussen“, erzählt Wulf. Der Schöffe ist sich seiner Verantwortung bewusst. Sein Votum kann unter Umständen darüber entscheiden, ob ein Angeklagter eine Bewährungs- oder eine Haftstrafe erhält. „Daher ist es sehr wichtig, unvoreingenommen in eine Sitzung zu gehen und zu entscheiden“, sagt Wulf.

Auch Ai-Hua Taing vom Rechtsamt der Stadt Hamm nennt die Neutralität als wichtige Voraussetzung für das Schöffenamt. Bewerber müssen zudem formelle Kriterien wie unter anderem ein Alter zwischen 25 und 69 Jahren, die deutsche Staatsbürgerschaft und Straffreiheit erfüllen. Künftige Jugendschöffen benötigen zudem Erfahrung in der Erziehung von Jugendlichen. Bewerben können sich Interessierte an ihrem jeweiligen Wohnort. Bislang konnte die Stadt Hamm genügend Schöffen gewinnen, berichtet die Expertin. Ihre Erfahrung ist positiv: „Viele Bewerber wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben und dazu beitragen, die Demokratie zu stärken.“

Informationen zur Schöffenwahl und zu den genauen Kriterien gibt es bei den Kommunen und auf der Website schoeffenwahl2023.de/.

aki / wsp

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