Blick durch den Glastetraeder in den ehemaligen Kellerraum der jüdischen Familie Pins in Dülmen. Foto: hineinschauen.org
12.06.2024

Blick in die Vergangenheit

Neuer Gedenkort in Dülmen: Auf dem Vorplatz der Kirche St. Viktor erinnert ein archäologisches Fenster an die jüdische Familie Pins.

Entdeckt worden waren die Mauerreste des Kellers von dem Haus, in dem die jüdische Familie Pins bis 1939 gelebt hat, Anfang 2020 bei archäologischen Ausgrabungen im Zuge der Umgestaltung der Innenstadt. „Wir haben uns dann die Frage gestellt, wie wir mit dem Fund umgehen“, sagt Pfarrer Markus Trautmann. Schnell war klar, man wollte die bescheidenen Reste des jüdischen Wohnhauses nicht einfach in der Erde erhalten, sondern auch ins Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger bringen. Über Spenden wurde der Gedenkort schließlich realisiert.

Durch die Glaskonstruktion auf dem Platz geht der Blick der Besucher hinab in den ehemaligen Keller der Familie. Zu sehen sind ein kleines Regal, ein Gurkenfass und eine Kartoffelkiste sowie ein Teil des Gemäuers und der ehemaligen Außentreppe. In dem Haus, das einmal über diesem Keller stand und das 1945 bei einem Bombenangriff zerstört wurde, lebte der jüdische Viehhändler Louis Pins mit seiner Frau Jenny und der Tochter Johanna. Er war Vorsteher der jüdischen Gemeinde.

Vier Publikationen zu jüdischem Leben in Dülmen

Die Familie sei fest in der Gesellschaft des Dülmener Landes integriert gewesen, heißt es in der Projektberschreibung für die Entwicklung des Gedenkortes. Doch in der Pogromnacht 1938 wurde auch die Familie Pins bedrängt, die Wohnung demoliert; Louis Pins war zeitweise inhaftiert und er musste seinen Grundbesitz verkaufen. Im Frühjahr 1939 fuhr er mit seiner Familie nach Hamburg, um aus Deutschland zu fliehen. Doch er wurde unter dem Vorwurf des „Devisenschmuggels“ verhaftet. Seiner Frau Jenny und Tochter Johanna gelang Ende 1940 schließlich die Ausreise nach Uruguay. Louis Pins nahm sich in Gestapo-Haft das Leben.

Eine Glaskonstruktion überspannt den Keller der jüdischen Familie. Foto: hineinschauen.org

Eine Glaskonstruktion überspannt den Keller der jüdischen Familie. Foto: hineinschauen.org

„Die Verhöre durch die Gestapo sind damals stenografiert worden. Wenn man das heute liest, ist es fast wie ein Tonbandaufnahme, das ist sehr bedrückend“, sagt Trautmann. Aus den Archivbesuchen seien vier Publikationen, die sich mit dem Leben der Familie Pins, den Stolpersteinen in Dülmen und den jüdischen Spuren in der Gemeinde befassen, entstanden – darunter auch ein Kinderbuch, so Trautmann.

Die NRW-Stiftung hat das Projekt mit rund 20.000 Euro unterstützt. Stefan Ast, Geschäftsführer der NRW-Stiftung, betonte in seinem Grußwort bei der Einweihung die Bedeutung von Erinnerungsorten für das Geschichtsbewusstsein. In der Dunkelheit wird der Kellerraum unter dem Glastetraeder beleuchtet. Eine Tafel vor der Konstruktion erinnert an die Familie Pins, über einen QR-Code können Interessierte weitere Informationen erhalten. In Zukunft ist geplant den Raum auch für die Ausstellung einzelner Kunstwerke oder für Schulprojekte zu öffnen.

Weitere Infos gibt es hier.

jüb, wsp

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