Die ehemalige Stiftskirche Cappenberg. Das Bauwerk wurde aufgrund der gelungenen Restaurierung vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Denkmal des Monats im März 2022 ausgezeichnet. Foto: LWL/ Dülberg
01.04.2022

„Nicht zeitgemäß“

Am 6. April entscheidet der Landtag in Düsseldorf über ein neues Denkmalschutzgesetz für NRW. Stellungnahmen zeigten bereits die breite Kritik an der Gesetzesnovelle von Ministerin Ina Scharrenbach. In dieser Woche meldeten sich die Hochschullehrerinnen und -lehrer zu Wort.

Jens Niebaum, Professor für Kunstgeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, sagte, dass es unter den Lehrstuhlinhabern in NRW, die sich mit Fragen des Denkmalschutzes beschäftigen, große Bedenken gegen das neue Gesetz gibt. Kritisch gesehen wird vor allem auch, dass das Gesetz trotz aller Kritik noch kurz vor der Landtagswahl beschlossen werden soll. Das wurde bei einer von Niebaum organisierten Podiumsdiskussion über die Gesetzesnovelle und deren Folgen an der WWU deutlich.

Prof. Wolfgang Sonne, der Architekturgeschichte an der TU Dortmund lehrt, zählt zu den Kritikern des Gesetzesentwurfs. Er befürchtet eine Schwächung des Denkmalschutzes. „Das Gesetz erwähnt erstmals sachfremde Belange, wie Fragen des Wohnungsbaus, des Klimaschutzes und der Barrierefreiheit. Diese Themen sind wichtig und werden in Denkmalschutzverfahren bereits berücksichtigt. Dass sie nun aber ausdrücklich erwähnt werden zeigt, dass es im Gesetz darum geht, Denkmäler möglichst verfügbar zu machen und heutigen Bedürfnissen unterzuordnen.“

Experte sieht Schwächung der Denkmalfachämter

Ein weiterer Kritikpunkt zielt auf eine Schwächung des fachlichen Urteils in den Verfahren. Durch den Wegfall der verpflichtenden Benehmensherstellung würde die Position der Denkmalfachämter geschwächt, so Sonne. Problematisch seien außerdem die Sonderrechte, die das Gesetz Kirchen zuteil werden ließe. Dies sei „nicht zeitgemäß“, so der Wissenschaftler: „Kirchen haben eines der größten baukulturellen Erben in Europa. Dieses Erbe gehört auch der Gesellschaft. Das neue Gesetz würde Kirchen nun in die Position bringen, dass sie selbst über den Erhalt oder den Abriss ihrer Gebäude entscheiden dürften.“

Sonne weist auch auf die Bedeutung von Denkmälern für die Ausbildung von Architekten hin. Als authentische Orte seien diese hier essentiell: „Beim Betreten von lange erhaltenen Gebäuden erleben Studierende unmittelbar die Atmosphäre und das Raumerlebnis. Sie riechen und spüren das Baumaterial. Das kann trotz 3-D-Brillen und Virtual Reality nicht simuliert werden.“ Der Architektur-Professor ist auch wissenschaftlicher Leiter des Baukunstarchivs NRW in Dortmund, das seinen Standort im Alten Museum am Ostwall hat. Sonne hat sich für den Erhalt des Gebäudes als öffentlicher Ort eingesetzt. Heute zeige sich dessen Bedeutung für die Stadtgesellschaft, berichtet er: „Es ist ein kultureller Identifikationsort, der mit seiner Architektur immer wieder begeistert. Hier zeigt sich das Potenzial eines Gebäudes mit einer langen Geschichte.“

Annette Kiehl, wsp

Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des WESTFALENSPIEGEL 2/2022 ein Interview mit Prof. Dr. Markus Harzenetter, Vorsitzender der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, zum neuen Denkmalschutzgesetz in NRW.

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