Sebastian Wiese ist Stadionsprecher bei Arminia Bielefeld. Foto: Oliver Hugo
28.05.2020

Ohne das Echo der Fans

Sebastian Wiese ist Moderator bei Radio Bielefeld und Stadionsprecher bei Arminia Bielefeld. Normalerweise zelebriert er die Aufstellungen der Mannschaften bei Heimspielen des Clubs mit mehreren Tausend Fans. Aktuell geht das nicht. Der Profifußball spielt wegen der Corona-Einschränkungen vor leeren Rängen. Im Interview spricht der 36-Jährige über Ansagen ohne das Echo der Fans und darüber, wie er die Mannschaft trotzdem unterstützt.

Wie war für Sie das erste Spiel ohne Zuschauer gegen Osnabrück?
Anders, auf jeden Fall! Also ich muss zugeben, dass ich schon etwas gespannt war, wie das wird. Es war ja eine ganz neue Erfahrung für alle. Aber wenn man dann die leeren Ränge sieht, dann ist das echt schade – besonders im Hinblick darauf, dass die Schüco-Arena gegen Osnabrück normalerweise ausverkauft gewesen wäre.

Waren Sie während des Spiels an Ihrem angestammten Platz in der Nähe der Trainerbank?
Nein, ich saß in der Sprecherkabine. Zum einen, um nicht mit der Mannschaft in Kontakt zu kommen. Und zum anderen, weil die Auswechselspieler am Spielfeldrand „verteilt“ wurden, um weit genug auseinander zu sitzen. Das war schon anders als sonst. Die größte Umstellung war aber natürlich, dass nichts zurückkam. Zum Beispiel bei den Aufstellungen oder beim Tor für Arminia – ohne Fans ist das natürlich eine ganz andere Stimmung.

Wie haben Sie ihre Stimme angepasst?
Ich habe versucht, nicht zu emotionslos zu sein – aber natürlich kann man bei der Aufstellung auch nicht so rumschreien, als wären die Fans im Stadion. Trotzdem habe ich versucht, die Mannschaft in gewissen Momenten zu unterstützen.

Wie das?
Nach der Aufstellung, bevor die Mannschaften eingelaufen sind, da habe ich zum Beispiel gesagt: „Die Schüco-Arena muss leer bleiben, aber trotzdem stehen wir alle voll hinter euch!“, einfach um zu zeigen, die Fans sind nicht im Stadion – aber fiebern trotzdem mit. Vielleicht ist es ja bei dem ein oder anderen angekommen.

Auf dem Rasen vor vollen Rängen – so sah der Job von Stadionsprecher Sebastian Wiese vor Corona aus. Foto: Oliver Hugo

Auf dem Rasen vor vollen Rängen – so sah der Job von Stadionsprecher Sebastian Wiese vor Corona aus. Foto: Oliver Hugo

Die Zeit vor einem Bundesligaspiel ist in den meisten Stadien durch choreografiert und der Dirigent ist der Stadionsprecher. Wie sieht das jetzt aus?
Wir haben einen Regieplan, in dem der Ablauf vor dem Spiel komplett durchgetaktet ist. Dort steht genau drin, wann Interviews vor dem Spiel stattfinden, zum Beispiel mit einem verletzten oder gesperrten Spieler, wann begrüßen wir die Gäste, wann starten wir mit der Aufstellung und und und…

Und jetzt?
Wir möchten versuchen, für die Mannschaft den Spieltag so „normal“ wie möglich zu gestalten. Das heißt, wir machen alles so wie immer – aber natürlich ohne Interviews am Spielfeldrand. 

Wie sehr fehlt Ihnen die Interaktion mit den Fans?
Sehr natürlich. Ich finde, davon lebt ein Fußballspiel! Ich darf das jetzt ja schon ein paar Jahre machen – und es ist nach wie vor ein großartiges und aufregendes Gefühl, den Rasen zu betreten und vor der Südtribüne zu stehen, um die Aufstellung zu verkünden. Ich sage immer: Wenn man es mit der Fußballkarriere nicht schafft, dann kann man nicht näher dran sein, als so. Dafür bin ich auch sehr dankbar!

Es sieht so aus, als könnte die Arminia tatsächlich den Aufstieg in die erste Fußballbundesliga schaffen. Und das ohne Fans, das tut weh, oder?
Absolut! Ich durfte einen Aufstieg als Stadionsprecher miterleben – das war grandios! Sowohl in der Schüco-Arena, als auch später auf dem Rathausbalkon herrschte eine unglaubliche Freude und Euphorie. Und ich glaube, bei einem Aufstieg in Liga Eins, könnte das „stimmungstechnisch“ sogar nochmal getoppt werden. Und klar, wenn ich mir vorstelle, dass in der nächsten Saison Bayern München oder Borussia Dortmund ins Stadion kommen könnten – und keine Fans dabei sein dürfen, dann wäre das sehr, sehr schade!

Interview: Jürgen Bröker 

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