In der Lemgoer Kirche St. Nicolai wird der ARD-Gottesdienst am Ostermontag aufgezeichnet - vor leeren Kirchenbänken. Foto: WDR/St. Nicolai Lemgo
08.04.2020

Ostern in der Corona-Krise

Ostern ist das wichtigste Fest im christlichen Jahr. Von der Abendandacht am Gründonnerstag bis zum Familiengottesdienst am Ostermontag gedenken Gläubige dem Leiden Christi und feiern die Auferstehung. Angesichts der Corona-Pandemie sind jedoch sämtliche Gottesdienste und Messen abgesagt. Mit Videoaufzeichnungen und Podcasts, Briefen und Oster-Paketen versuchen sowohl evangelische als auch katholische Gemeinden, ihre Mitglieder am Osterfest zu begleiten. 

In der Evangelischen Kirchengemeinde Mark-Westtünnen in Hamm wird Pfarrer Klaus-Martin Pothmann mehr als 50 Porträts von Gemeindemitgliedern auf die Kirchenbänke stellen, wenn er den Karfreitagsgottesdienst feiert. „Ein Gottesdienst lebt vom Dialog, sowohl mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als auch mit Gott. Ich brauche ein Gegenüber“, sagt Pothmann. Daher hat er die Gemeinde aufgerufen, ihm Bilder zu senden. Die Fotografien sollen zeigen, wer normalerweise in der Kirche sitzt. „Ich möchte den Gottesdienst trotz Corona als Dialog feiern. Das wird sich in der Predigt widerspiegeln und auch im Gespräch, das ich mit einem Gemeindemitglied im Gottesdienst führe. Natürlich mit dem gebotenen Abstand“, erzählt der Pfarrer. Der Gottesdienst wird mit Mikrofonen als eine Art Podcast aufgezeichnet. Die Audiodatei kann über die Website der Gemeinde abgerufen werden.

Semmelsegnung per YouTube

Andreas Duderstedt, Sprecher der Evangelischen Kirche von Westfalen, erzählt von vielfältigen Angeboten, die die Gemeinden in der Corona-Krise und gerade für die Ostertage auf die Beine gestellt haben. „Viele streamen Videos von Andachten, einige machen Podcasts, manche filmen Gottesdienste und übertragen sie live“, nennt er Beispiele. „Es gibt eine unglaubliche Kreativität und eine große Eigeninitiative vor Ort, über die wir uns sehr freuen“, so Duderstedt.

Die katholischen Bistümer in Westfalen bieten ebenfalls multimediale Angebote, um Bräuche und Messen zum Osterfest wenigstens ein Stück weit zu ersetzen. So kann der Attendorner Semmelsegen zum ersten Mal seit 400 Jahren nicht unter freiem Himmel gespendet werden. Statt dessen findet die Segnung des Brotes im Sauerländer Dom statt und wird per YouTube im Lifestream übertragen. Jeder Ostersemmel, die beim Bäcker in Attendorn gekauft wird, liegt zudem ein Segenstext bei – für zuhause.

Propst Jürgen Quante.

Propst Jürgen Quante.

Die katholische Gemeinde St. Peter in Recklinghausen wird die Messe am Karsamstag live im Internet übertragen. Einfach sei das für die Priester nicht, sagt Propst Jürgen Quante: „Die virtuelle Form ist tatsächlich eine große Umstellung.“ Den Ritus vor einer Videokamera in einer leeren Kirche durchzuführen, sei sehr schwierig für ihn. „Für die Gemeindemitglieder ist das aber wichtig. Es ist gut, dass sie den Gottesdienst in einem vertrauten System und in einer ebenso vertrauten Sprache verfolgen können“, so Quante. 

Nicht alle Gemeindemitglieder können oder wollen Gottesdienste online verfolgen. Gerade ältere Menschen haben unter Umständen keinen Internetanschluss oder verfügen nicht über die notwendigen technischen Fertigkeiten. Manche wünschen sich auch einfach eine persönliche Botschaft, hat Pfarrer Klaus-Martin Pothmann erfahren. Daher hat er vielen Gemeindemitgliedern persönliche Briefe geschrieben und Texte von Andachten beigelegt. Die Resonanz hat ihn beeindruckt: „Viele Adressaten haben mich angerufen, um sich zu bedanken“, erzählt er und bemerkt: „Ich höre bei solchen Gesprächen, dass viele Menschen zur Zeit zwar gut mit Lebensmitteln und anderen Dingen versorgt sind, ihnen aber die persönliche Ansprache fehlt.“ Dieses Bedürfnis befriedigen zu können, wird in diesem Jahr eine besondere Herausforderung für die Gemeinden sein – nicht nur an den Ostertagen.

Die westfälische Präses Annette Kurschus predigt am Ostersonntag im ZDF-Gottesdienst ab 9.30 Uhr. Zur gleichen Zeit läuten in Nordrhein-Westfalen die Glocken der evangelischen und katholischen Kirchen. Gegen 10.15 Uhr sind Musiker aufgerufen, in einem „Flashmob auf Sicherheitsabstand“ am offenen Fenster, auf Balkonen und in Gärten zu musizieren. Am Ostermontag übertragt die ARD den Osterfestgottesdienst um 10 Uhr live aus der St. Nicolai-Kirche in Lemgo, jedoch ohne Gemeinde. Die Predigt hält Superintendent Dr. Andreas Lange, durch den Gottesdienst führt Elisabeth Wirtz, Leitende Dramaturgin Musiktheater am Landestheater Detmold.

Lesen Sie hier ein Interview mit Probst Jürgen Quante von der katholischen Gemeinde St. Peter in Recklinghausen.

wsp

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