Die deutsch-iranische Musikerin Mina Richman wurde 1988 in Berlin geboren und ist in Bad Salzuflen aufgewachsen. Heute lebt sie in Bielefeld. Foto: Jan Haller
21.10.2024

Pendlerin zwischen den Welten

Die Musikerin Mina Richman wuchs in Ostwestfalen zwischen zwei Kulturen auf. Als „Outstanding Artist“ ist sie mit dem popNRW-Preis ausgezeichnet worden.

Ausverkaufte Konzerte, zahlreiche Festivalauftritte, viele gute Plattenkritiken: Seitdem Mina Richman im Frühjahr ihr Debütalbum „Grown up“ veröffentlicht hat, ist die Bielefelderin hierzulande noch einmal deutlich bekannter geworden. International hatte sie schon einige Monate zuvor mit ihrem Lied „Baba said“ für Aufsehen gesorgt. Sie schrieb das Stück 2022 nach dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Jina Amini durch die iranische Sittenpolizei, der eine Protestwelle im Iran und darüber hinaus auslöste. „Baba said“ ist ein Mutmachsong für die iranischen Frauen, der bei Instagram zigtausendfach angesehen wurde, gespielt auf der Ukulele von einer jungen Frau aus Deutschland. „Das hat mir gezeigt, wie mächtig Musik ist“, sagt Mina Richman.

Deutsch-iranische Biografie

Die Musikerin heißt gebürtig Schelpmeier, kam in Berlin zur Welt und wuchs im lippischen Bad Salzuflen zwischen zwei Kulturen auf. Ihre deutsche Mutter und ihr iranischer Vater lernten sich beim Studium in Lemgo kennen. Ihren Vater bezeichnet Mina Richman als sehr emanzipiert und progressiv. „Wir waren jedes Jahr im Iran, bis ich 18 wurde“, blickt sie zurück. „Dass ich früh Kontakt zu anderen Kulturen und Lebenswelten hatte, hat mir ein Stück weit die Angst vor dem Fremden genommen.“ Sie erzählt, dass sie zwar mit Loriot-Sketchen groß wurde und Grünkohl und Spargel mag. „Dennoch gab es das Gefühl, dass ich nirgendwo ganz hundertprozentig Teil der Gesellschaft bin.“ In ihrer Jahrgangsstufe in Bad Salzuflen war sie eins von nur drei Kindern mit Migrationshintergrund. „Ich habe mich oft außen vor gesehen. Mittlerweile kenne ich viele Leute, die ähnliche Biografien haben, und fühle mich ihnen zugehörig.“

Foto: Jan Haller

Foto: Jan Haller

Heute ist Mina Richman 26 Jahre alt und arbeitet in Bielefeld als Lehrerin. Musik schreibt sie seit der Coronazeit. Sie suchte sich eine Band und nahm mit dem bekannten Produzenten Tobias Siebert (Juli, Enno Bunger) im vergangenen Herbst ihr erstes Album auf. „Dafür habe ich fast alles in Eigenregie gemanagt: Förderantrag schreiben, Ideen für Musikvideos entwickeln, den Schnitt begleiten, das Grafikdesign in Auftrag geben, Foto-Shootings buchen – das hat mich stärker gemacht“, sagt sie.

In ihren Texten und Musikvideos zeigt sich Mina Richman als starke selbstbewusste Frau, einerseits. Denn andererseits offenbart sie immer wieder auch verletzliche Seiten. „Ich habe mich in dem Album sehr intensiv mit mir, meiner Jugend und Kindheit auseinandersetzt und das dargestellt, was mich bewegt hat.“ Auch die Erkenntnis, queer zu sein, gehört zu Mina Richmans Biografie. In der Schule war ihre Beziehung zu einer Klassenkameradin Gesprächsthema. „Doch zu dem Zeitpunkt hatte ich schon genug Selbstbewusstsein, um mich davon nicht mehr beeindrucken zu lassen.“


Dieser Beitrag ist zuerst in Heft 5/2024 des WESTFALENSPIEGEL erschienen. Möchten Sie mehr lesen? Gerne senden wir Ihnen zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht es zum Schnupperabo.


Musikalische Vorbilder sind für sie Tracy Chapman, Amy Winehouse, Adele und das Bandprojekt Joan as a Police Woman. Ihre eigene Musik bewegt sich zwischen Soul, Pop, Folk und Singer/Songwriter, geprägt wird sie von Richmans ausdrucksstarker Stimme. Trotz ihrer vielen Auftritte und ihrer Anstellung als Lehrerin arbeitet Mina Richman bereits an neuen Songs – im Frühjahr 2025 sollen sie erscheinen.

Eine wichtige Auszeichnung gab es bereits vor ein paar Tagen: Mina Richman wurde in Köln als „Outstanding Artist“ mit dem renommierten und mit 10.000 Euro dotierten popNRW-Preis vom NRW-Kultursekretariat und dem Landesmusikrat NRW geehrt.

Martin Zehren

Das Album „Grown up“ ist beim Label „Ladies & Ladys“ aus Münster herausgekommen. Live-Termine: u. a. 23. Oktober Alter Schlachthof Soest und am 5. April 2025 Forum Bielefeld. Weitere Informationen hier

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