Die Wirtschaft blickt so pessimistisch wie selten in die Zukunft. Foto: pixabay
25.10.2022

Pessimistische Stimmung in der Wirtschaft

Die Stimmung in der heimischen Wirtschaft ist so schlecht, wie selten. Vor allem die unberechenbaren Folgen des Krieges in der Ukraine und die damit verbundenen hohen Energiekosten trüben die Aussichten.

Im Ruhrgebiet blicke mehr als jedes zweite Unternehmen pessimistisch in die Zukunft, sagte Heinz-Herbert Dustmann, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund bei der Vorstellung des Herbst-Ruhrkonjunkturberichts. Vor einem halben Jahr galt das nur für jedes sechste Unternehmen. „Einen vergleichbaren Pessimismus gab es als Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise in unserer Umfrage zuletzt Anfang 2009, als 48 Prozent der Unternehmen negative Geschäftserwartungen kalkulierten“, so Dustmann.

Der Konjunkturklimaindikator ist in der Region um 38 Punkte auf 77 Punkte abgestürzt, zeigt die Auswertung der Umfrage unter rund 700 Unternehmen mit 84.000 Beschäftigten im Ruhrgebiet. Der Konjunkturklimaindikator gilt als Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung. Er fiel um 38 auf 77 Punkte. Einen solchen Absturz des Geschäftsklimas habe es seit dem Jahr 2003 im Bereich der Ruhr-IHKs nicht mehr gegeben, sagte Dustmann. Vor allem Handelsunternehmen erwarten eine negative Entwicklung.

„Alle Zeichen stehen auf Rezession“

Schon in der vergangenen Woche hatte die IHK Siegen die Ergebnisse ihrer Konjunkturumfrage vorgestellt und dabei ebenfalls Alarm geschlagen. „Nie zuvor brach das Konjunkturklima der regionalen Wirtschaft innerhalb eines Jahres so drastisch ein. Die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges treffen mit voller Wucht auf eine durch die Corona-Pandemie und durch Lieferengpässe noch gezeichnete Wirtschaft. Die explodierenden Energiepreise und die historisch hohe Inflation belasten die heimischen Unternehmen stark. Alle Zeichen stehen auf Rezession“, sagte Walter Viegener, Präsident der IHK Siegen.

Auch die Südwestfälische IHK zu Hagen (SIHK) hat bei den Mitgliedsunternehmen ein deutliches Stimmungstief registriert. „Die südwestfälische Wirtschaft steht vor einer noch nie dagewesenen Fülle an Herausforderungen. Insbesondere die dramatische Lage auf den Energiemärkten erfordert jetzt eine schnellstmögliche Entlastung der Unternehmen. Die geplanten Gas- und Strompreisentlastungen müssen jetzt schnell bei den Unternehmen ankommen.“, so Ralf Stoffels, Präsident der SSIHK. Dort stürzte der Geschäftsklimaindex von 93 auf 65 Punkte ab, und stand damit so tief wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr.

Wie in der gesamten Region wächst auch im Münsterland und der Emscher-Lippe-Region die Sorge vor einer Rezession. Zwar sei die aktuelle Geschäftslage in vielen Unternehmen noch gut, doch es werden erhebliche Gefahren gesehen, die die Existenz der Betriebe bedrohen, so Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen. Die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate sind laut Jaeckel auf einem Allzeittief angekommen. Nur fünf Prozent der Betriebe erwarten, dass ihre Geschäfte in den nächsten Monaten besser laufen, 55 Prozent rechnen dagegen mit einer negativen Entwicklung.

Gelsenkirchener Modell

Vor allem die gestiegenen Energiekosten bereiten den Unternehmen Sorgen. In der Emscher-Lippe-Region ist man alarmiert. Schließlich entfallen auf den Kreis Recklinghausen und die Stadt Gelsenkirchen zehn Prozent des gesamten Gasverbrauchs Nordrhein-Westfalen, so die IHK Nord Westfalen. Daher verwundert es nicht, dass von dort ein kreativer Vorschlag kommt: das „Gelsenkirchener Modell“. Damit soll einer drohenden Gasmangellage begegnet werden.

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Schon im Juni haben zahlreiche Unternehmen – vor allem aus energieintensiven Branchen – gemeinsam mit dem Netzbetreiber Emscher Lippe Energie GmbH (ELE), Vertretern der Kommunen und der IHK Möglichkeiten ausgelotet, um Energie einzusparen, alternative Energieträger zu nutzen und freiwillige Beiträge durch befristete Senkung der Produktion und damit des Gasverbrauchs zu leisten. So könnten etwa Absprachen getroffen werden, wann Wartungen und größere Reparaturen durchgeführt oder Betriebsferien gemacht werden.

Bis Mitte November sollen die Einsparpotenziale der beteiligten Unternehmen abgefragt sein. So weiß man, welchen Beitrag zum Energiesparen einzelne Unternehmen leisten können, wenn es zu einer Mangellage kommt. Der Gelsenkirchener Weg setzt auf Solidarität in der regionalen Wirtschaft und hat inzwischen bundesweit für Aufsehen gesorgt, auch weil der Deutsche Städtetag das Modell in einem Rundschreiben allen Kommunen zur Nachahmung empfiehlt.

Schnelles Handeln notwendig

Die IHK-Vertreter appellieren an die Politik, schnell zu handeln. „Die beschlossenen Entlastungsmaßnahmen müssen jetzt sehr schnell bei den Unternehmen ankommen“, sagt Jaeckel. Für viele Betriebe hätten die hohen Gas- und Strompreise existenzbedrohende Ausmaße angenommen, zumal die Rücklagen schon in der Corona-Pandemie häufig aufgebraucht worden seien. So ist der Anteil der Unternehmen in Nord Westfalen, die ihre Finanzlage als unproblematisch einstufen, seit Beginn des Jahres von 82 auf 61 Prozent gesunken: „Das Eigenkapital nimmt ab, die Liquiditätsengpässe nehmen zu“, fasst Jaeckel die Entwicklung zusammen.

Walter Viegener, Präsident der IHK Siegen, ergänzt: „Die Lage ist ernst und für zahlreiche Unternehmen existenzbedrohend. Wir brauchen jetzt schnelle, konsequente, zielgerichtete und mutige Entscheidungen der Politik – und nicht nur Ankündigungen. Ansonsten werden die kommenden Monate äußerst schmerzhaft.“

jüb/wsp

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