Pioniere für die Alphabetisierung
Als „Schreibwerkstatt für neue Leser und Schreiber“ wurde vor 40 Jahren der heutige Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung in Münster gegründet.
Pionierarbeit in Sachen Alphabetisierung leistete der Pädagoge Peter Hubertus Mitte der 1980er Jahre von Münster aus. Gemeinsam mit weiteren Engagierten setzte er sich für bessere Unterrichtsmaterialien und für professionelle Kurse ein, um Menschen das richtige Lesen und Schreiben zu vermitteln. „Es ging aber auch darum, in Gesellschaft und Politik ein Bewusstsein für Analphabetismus zu schaffen“, sagt Dr. Nicole Pöppel, Geschäftsführerin des Bundesverbandes.
„Schreib dich nicht ab!“
1995 rief Hubertus das „Alfa-Telefon“ ins Leben; Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten konnten dort anrufen und wurden – anfangs noch persönlich von Hubertus – beraten. Die Kampagne „Schreib dich nicht ab!“ rückte in den 1990er Jahren mit prominent besetzten Werbespots die Aufmerksamkeit auf das Thema funktionaler Analphabetismus. Betroffene Menschen können zwar etwas lesen und schreiben, doch sie haben in zahlreichen Situationen damit Probleme und erleben im Berufs- und Alltagsleben zahlreiche Hürden.
Die Leo-Studie zum „Leben mit geringer Literalität“ zeigte zuletzt 2018, dass es rund 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland gibt, die nicht richtig lesen und schreiben können. So setzt sich der Bundesverband nach wie vor dafür ein, dass die Betroffenen Beratung und passende Kursangebote finden. Die Volkshochschulen seien hier wichtige Anlaufstellen, sind jedoch nicht für alle erreichbar, sagt Pöppel. So gehe es darum, auch in Quartieren oder auch Stadtteilzentren Kurse anzubieten.
Das „Alfa-Telefon“ ist heute noch wichtig, um betroffenen Menschen erste Kontakt- und Informationsmöglichkeiten zu bieten. Aber auch das „Alfa-Mobil“ als reisender Infostand ist ein wichtiges Instrument des Verbandes sowie eine Website. „Die Digitalisierung hilft Menschen mit Lese- und Rechtsschreibschwierigkeiten, weil Informationen online leicht zugänglich sind und weil auch über Spracherkennungsprogramme kommuniziert werden kann“, sagt die Geschäftsführerin des Verbandes. Andererseits werde bei zahlreichen digitalen Angeboten ein gutes Textverständnis vorausgesetzt. „Hier stoßen dann viele Betroffene an ihre Grenzen“, so Pöppel.
Bundesverdienstkreuz für Gründer
Die Einfache Sprache kann funktionalen Analphabeten auf dem Weg zum Erlernen von Lesen und Schreiben helfen. So ehrt der Bundesverband bei seinem Festakt zum 40-jährigen Jubiläum in Münster unter anderem Ralf Beekveldt, der in Münster den „Spaß am Lesen Verlag“ führt und leichter verständliche Literatur vom Klassiker bis zum Thriller bietet. „Lesen für alle“ ist das Motto des Verlags. Damit sei er ein „Botschafter für Alphabetisierung“, heißt es. Zu Gast beim Festakt werden auch Peter Hubertus und Marion Döbert sein. Hubertus war viele Jahre Geschäftsführer des Verbandes, Döbert Vorstandsmitglied. Beide wurden 2003 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Auch heute setzt sich Peter Hubertus unter anderem mit Fortbildungen für Lehrende dafür ein, dass Menschen Lesen und Schreiben lernen können. Marion Döbert engagiert sich als Autorin und Übersetzerin für Bücher in Einfacher Sprache.
aki, wsp