Pioniere in Altena
15 Kreativ- und Digital-Arbeiter haben Altena für sechs Monate zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht. Durch das Hochwasser hat der „Summer of Pioneers“ eine neue Wendung bekommen.
Anfang Juni sind die Pioniere in die Stadt an der Lenne gezogen. Im Rahmen des Projektes „Summer of Pioneers“ bekommen sie dort Wohnungen und gemeinschaftliche Arbeitsplätze in leerstehenden Ladenlokalen gestellt, um das Landleben zu testen. Im Gegenzug bringen sich die Kreativen in die Stadt ein, entwickeln Visionen für die Industriebrache Schwarzenstein und machen auf Altena aufmerksam.
Die Journalistin und Digital-Expertin Christina Quast ist als Pionierin für ein halbes Jahr von Dortmund nach Altena gezogen. Sie hat bereits am „Summer of Pioneers“ von 2019 bis 2020 in Wittenberge teilgenommen und koordiniert nun das Projekt im Sauerland. Sie beobachtet, dass die Homeoffice-Erfahrungen während der Pandemie neue Potenziale eröffnet haben: „Neben Freiberuflern nehmen nun auch Menschen mit klassischen Vollzeit-Stellen an dem Projekt teil. Sie arbeiten in Distanz und haben damit die Option, auf das Land zu ziehen und ihren Beruf mitzunehmen.“
Nach den ersten Wochen des Einlebens standen die Pioniere Mitte Juli vor ganz neuen Herausforderungen. Altena zählt zu den Regionen in Südwestfalen, die am stärksten von den Unwettern betroffen waren. „Wir waren zu diesem Zeitpunkt gerade in einen Arbeitsrhythmus gekommen, hatten erste Kontakte in der Stadt geknüpft und Pläne für die Schwarzenstein-Brache gemacht, als das Hochwasser kam“, berichtet Christina Quast. Die Wohnungen und Co-Working-Flächen der Pioniere waren von den Verwüstungen durch Tief „Bernd“ zwar nur wenig betroffen, die Prioritäten in Altena haben sich aber schlagartig verschoben: „Straßen sind unterspült worden und Häuser immer noch einsturzgefährdet. Bei der Stadt stehen Soforthilfeanträge und Spendenverteilung im Mittelpunkt und das hat natürlich Vorrang“, erzählt die Projektkoordinatorin. Nichtsdestotrotz haben die Pioniere entschieden, an der Lenne zu bleiben. „Das ist auch der Wunsch der Stadt Altena“, sagt Christina Quast. „Wir versuchen, die betroffenen Einwohner und zum Beispiel auch Gastronomen zu unterstützen. Wir wollen durch das Projekt positiv zur weiteren Stadtentwicklung beizutragen. Wir helfen der Stadt Foto- und Videomaterial zu den Unwetterfolgen zu sammeln, indem wir hierfür eine digitale Lösung erarbeiten. Das soll helfen um in Zukunft bessere Schutzmaßnahmen entwickeln zu können.“
Rund zwei Monate nach dem Start des „Summer of Pioneers“ ist es für eine Bilanz in Altena noch zu früh, der Blick zum ersten Projektort Wittenberge zeigt aber das Potenzial des Versuchs. „Wir konnten in der Stadt einige Impulse setzen, zum Beispiel für ein ‚Wohnen auf Zeit‘ und eine Kulturstätte. Einige der Pioniere wohnen und arbeiten nun dauerhaft in Wittenberge“, erzählt Christina Quast. Die Dortmunderin könnte sich ein Leben und Arbeiten auf dem Land ebenfalls vorstellen – in Teilzeit. „Ideal für mich wären zwei Standorte, sodass ich je nach Arbeitssituation und Wetter zwischen Stadt und Land wechseln könnte.“
Annette Kiehl, wsp