Der Gottesdienstbesuch gehört für viele Menschen zu Weihnachten. Aber die Besucherzahlen sind rückläufig. Foto: pixabay
22.12.2023

Platz ist in jeder Kirche

Weihnachten steht vor der Tür. Viele Menschen zieht es an den Feiertagen in die Weihnachtsgottesdienste – doch es werden weniger.

„Ich stelle schon fest, dass deutlich weniger Menschen in die Weihnachts-Gottesdienste kommen, als noch vor Corona. Aber zur Wahrheit gehört auch: Es sind mehr als an jedem anderen Sonntag“, sagt Jens Watteroth. Er ist Pastor der katholischen Kirche Wattenscheid. Die rückläufigen Zahlen sind dabei kein rein katholisches Phänomen. Auch in der evangelischen Kirche wurden in den vergangenen Jahren weniger Weihnachtsgottesdienst-Besucher gezählt. So weist die Statistik der Evangelischen Kirche von Westfalen für Heiligabend 2012 noch rund 717.000 Gottesdienstbesucher auf. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 366.000.

Wer in diesem Jahr zum Weihnachtsgottesdienst zum Glockenschlag kommt, wird also mit großer Wahrscheinlichkeit noch einen Sitzplatz bekommen. Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre haben manche Gemeinden das Angebot bereits reduziert. So auch in Wattenscheid: Heiligabend gibt es dort genauso viele Feiern wie in den Vorjahren, aber am 1. und 2. Weihnachtstag werden weniger Gottesdienste in den Kirchen angeboten.

Corona und die Folgen

Jens Watteroth Foto: Bistum Essen

Jens Watteroth Foto: Bistum Essen

„In der Zeit, in der es wegen Corona keine Gottesdienste in Präsenz gab, haben einige Menschen offenbar gelernt, es geht auch anders, es geht vielleicht sogar ohne Gottesdienst“, sagt Watteroth. Die Ursache dafür, dass immer Menschen der Kirche und den Messfeiern den Rücken kehren, liegt aber schon in Entwicklungen vor Corona, ist er überzeugt. Rückläufige Mitgliederzahlen, die immer neuen Missbrauchsvorwürfe, sind nur zwei von vielen Gründen.

Watteroth persönlich freut es, dass zu Weihnachten wieder mehr Besucherinnen und Besucher in die Kirche kommen. „Ich versuche wirklich zu vermitteln: Schön, dass Ihr heute da seid“, sagt er. Der Priester vermutet mehrere Gründe, warum die Menschen an Weihnachten eine Kirche besuchen möchten. „Manche kommen wegen der Tradition, weil man das immer so gemacht hat. Sie möchten die vertrauten Weihnachtslieder hören, das Krippenspiel sehen, die geschmückte Kirche. Andere suchen nach einer Botschaft, nach einer Ermutigung in schweren Zeiten. Wir sind für alle da“, sagt er.

„Neue Akzente setzen“

Auch die evangelische Kirche freut sich über jeden Gottesdienstbesucher. Die Palette der Feiern reicht dort von der traditionellen Christvesper über das Krippenspiel (nicht nur) für Familien bis hin zur meditativen Christmette. Gefeiert wird in den Kirchen, an anderen Orten und draußen, so eine Sprecherin der EKvW.

Pastor Watteroth glaubt nicht, dass sich der Trend zu weniger Kirchgängern umkehren lässt. „Ich nehme das realistisch an und sehe darin auch Chancen. Schließlich werden so auch Ressourcen für andere Dinge frei“, sagt er. In Wattenscheid gibt es zum Beispiel durch den Wegfall einiger Kirchen-Gottesdienste Raum für Feiern in Krankenhäusern und Altenheimen an Weihnachten. „Wir können als Kirche neue Akzente setzen und andere Menschen erreichen mit einer Botschaft, die es wert ist, weitergetragen zu werden“, so Watteroth.

Jürgen Bröker, wsp

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