Pop und Politik
Bernadette La Hengst ist auf vielen Bühnen aktiv. Die Ostwestfälin gehörte in den 1990er Jahren mit „Die Braut haut ins Auge“ zur Hamburger Schule und macht heute – nicht nur – mit Bürgern Musik.
„Wo bist du, Heimat?“ – mit dieser Zeile beginnt der Song „Gib mir meine Zukunft zurück“, die zweite Single aus dem neuen Album „Visionäre Leere“ von Bernadette La Hengst. Geschrieben hat sie das Lied bereits vor ein paar Jahren für die Revue „Mutter*Land“, eine musikalisch-biografische Spurensuche, die im Herbst 2021 auf Burg Hülshoff präsentiert wurde. Das Thema Herkunft beschäftigt die Musikerin. „Du bist kein Ort, gerade hier und schon wieder fort“, singt sie und meint: Ich habe viele Heimaten.
Archivarin in eigener Sache
Bernadette La Hengst, geboren 1967 in Bad Salzuflen, ist immer wieder als Archivarin in eigener Sache aktiv. Sowohl, was ihre ostwestfälische Herkunft angeht, als auch in Bezug auf die Musik und ihre Karriere. Ende Mai zeigte der NDR eine umfangreiche TV-Dokumentation zur „Hamburger Schule“, eine der prägenden Musikrichtungen der deutschen Pop-Geschichte. Und mittendrin: Bernadette LaHengst, die über ihre Erfahrungen im Hamburg der 1990er Jahre spricht. Zwischen Bands wie Tocotronic, Blumfeld und Die Sterne war sie mit dem Quintett „Die Braut haut ins Auge“ ein Teil der Szene. Eingängige und experimentierfreudige Songs, wie „Wenn Du gehst“ oder „Der langweiligste Junge der Welt“ wurden zu Hymnen vieler junger Frauen. Die Bandmitglieder um La Hengst rangen hingegen immer wieder um den richtigen Weg zwischen Kunst, politischem Anspruch und den Trends, die damals das Musikfernsehen setzte. Im Jahr 2000 trennte sich die Band.
Die Hamburger Jahre haben Bernadette LaHengst geprägt. „Ich kann mein Leben und meine Kunst nicht ohne politisches Engagement denken. Trotzdem muss alles eine Leichtigkeit behalten – das ist Popmusik“, sagt sie. Diese Haltung ist nicht nur in den alten wie auch neuen Songs hörbar, sondern wird auch in ihren zahlreichen Bühnenarbeiten deutlich. Als Regisseurin, Musikerin und Texterin entwickelte La Hengst zuletzt gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern die Revue „Musikalisiert Euch“ am Staatsschauspiel Dresden. Positive Visionen für die Stadt und das Überwinden gesellschaftlicher Spaltungen mithilfe der Musik standen als Ziele im Mittelpunkt des „Sing-Wettstreitens“.
In diesem Jahr bietet sich endlich auch wieder eine Gelegenheit, die Musik von „Die Braut haut ins Auge“ zu entdecken. Nachdem die Alben viele Jahre in Archiven schlummerten, sind sie im Frühjahr digital erschienen. Anfang Oktober kommt zudem ein Best-of-Album mit „Braut“-Songs auf Vinyl beim Label Trikont heraus. „Es freut mich, dass viele dieser Lieder mit Themen wie Aufbruch, Beziehungen und Selbstermächtigung heute noch berühren und nun von der Generation meiner Tochter gehört werden“, erzählt die Musikerin.
Dieser Beitrag ist zuerst in Heft 4/2024 des WESTFALENSPIEGEL erschienen. Möchten Sie mehr lesen? Gerne senden wir Ihnen zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht es zum Schnupperabo.
Nach einigen Jahren in Hamburg lebt Bernadette La Hengst heute in Berlin. Zuletzt verbrachte sie drei Monate in Dresden. Und wo liegt denn nun ihre Heimat? Die Musikerin weicht dieser Frage zunächst aus. Dann erinnert sie sich doch, wie ihre Kindheit und Jugend in der ostwestfälischen Provinz sie geprägt hat und wie sie mit dieser Erfahrung dann in die Großstadt ging. „Ich habe die Hamburger Musikszene mit den großen Augen eines Kleinstadtmädchens entdeckt. Ich konnte mich vielleicht mehr wundern als die Menschen, die die Großstadt schon immer kannten“, sagt sie.
Annette Kiehl, wsp
Live zu erleben ist Bernadette La Hengst am 9. Oktober im Subrosa Dortmund und am 10. Oktober im Bürgerzentrum Ehrenfeld Köln. Am 17. Dezember spielt sie mit ihrer früheren Band „Die Braut haut ins Auge“ Songs aus dem Album „Was nehm ich mit?“ beim Festival Lieblingsplatte im Zakk Düsseldorf. Es ist das bislang einzige geplante Konzert der Band. Weitere Informationen hier.