Die "Neuen Höfe" in Herne. Foto: Andreas Horsky
16.03.2023

Höfe statt Hertie

Mit der Nachricht, dass Galeria-Filialen geschlossen werden, stehen viele Städte vor dem Problem, bald leerstehende Warenhäuser mit neuem Leben füllen zu müssen. Herne, Lünen und Recklinghausen zeigen, wie dort mit radikalen Eingriffen Neues geschaffen wird.

Was in der Herner Innenstadt einmal „Horten“ und später „Hertie“ war, sind heute die „Neuen Höfe“. Nach der Schließung des Warenhauses 2009 herrschte am Robert-Brauner-Platz zunächst jahrelang Stillstand. Es gab keinen großen Einzelhändler und erst recht kein Kaufhaus, das die 2000 Quadratmeter Innenfläche umfassende Immobilie mit mehreren Etagen und kaum Lichteinfall übernehmen wollte. „Bewegung kam erst in die Sache, als die Stadt Herne das Gebäude kaufte und schließlich mit der Landmarken AG ein erfahrener Investor und Projektentwickler ins Spiel kam“, berichtet Dr. Dirk Drenk, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Herne Business.

Es folgte ab 2018 ein umfangreicher Umbau: Zwei Höfe wurden in das parabelförmige Gebäude geschnitten, um Licht in die Innenräume zu bringen – diese geben dem Haus seinen Namen. Betondecken mussten aufwendig saniert werden, viel Glas wurde eingesetzt und die denkmalgeschützte Fassade mit den charakteristischen Lamellen hergerichtet. Damit wurde eine neue Nutzung ermöglich.

„Voll vermietet“

Seit der Eröffnung 2021 sind in den „Neuen Höfen“ zahlreiche Büros, ein Fitnessstudio und eine Gaststätte angesiedelt. In Sachen Einzelhandel gibt es lediglich zwei Bekleidungsläden. „Voll vermietet“, sei die markante Immobilie, berichtet heute der Wirtschaftsförder. Positive Auswirkungen auf die Innenstadt seien bereits sichtbar: „Durch die Gastronomie, aber auch durch die Menschen, die in den Büros arbeiten, ist die Fußgängerzone belebt. Das sendete Impulse für weitere Projekte, wie die geplante Ansiedlung der Polizeifachhochschule und den bereits erfolgreich realisierten Europagarten, eine Immobilie mit Kita, Büros und Arztpraxen.“ Im Juli 2022 wurden die „Neuen Höfe“ von einem französischen Immobilienfond übernommen. Drenk wertet den Verkauf als Zeichen des Erfolgs: „Es zeigt, dass das Konzept des umfangreichen Umbaus mit einer neuen Nutzungsstruktur wirtschaftlich funktioniert und darüber hinaus für die Stadtentwicklung in Herne ein Gewinn ist.“

Die Galeria-Karstadt-Filiale am Dortmunder Westenhellweg soll zum 31. Januar 2024 schließen. Ein Mode-Unternehmer hat in dieser Woche Interesse an einer Übernahme des Hauses gezeigt. Foto: Kiehl

Die Galeria-Karstadt-Filiale am Dortmunder Westenhellweg soll zum 31. Januar 2024 schließen. Ein Mode-Unternehmer hat in dieser Woche Interesse an einer Übernahme des Hauses gezeigt. Foto: Kiehl

Während in den Städten Siegen, Gelsenkirchen, Bielefeld, Hagen und Dortmund in diesem Sommer bzw. Anfang des kommenden Jahres die Türen der Galeria-Häuser für immer schließen, können auch andere Städte bereits Erfahrungen mit den Warenhaus-Immobilien aufweisen. 2009 gab Hertie seinen Standort in Lünen auf: ein Betonklotz mitten in der Innenstadt. Fünf Jahre lang stand dieser leer, bevor die Entscheidung zu einem radikalen Schritt fiel. Statt Einzelhandel sollte es dort fortan Wohnungen geben. Um das zu ermöglichen, wurde auch dort der mittlere Teil des Gebäudes herausgerissen, um einen hellen Innenhof zu ermöglichen. Im Erdgeschoss gibt es Gastronomie und eine Bankfiliale. Das Projekt des Bauvereins Lünen, 2017 eröffnet, gilt als vorbildlich und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

Impulse für weitere Investitionen in der Innenstadt

Auch in Recklinghausen wird derzeit ein altes Karstadt-Gebäude umgebaut. Im alten Gewand der historischen Fassade entstehen zurzeit unter der Regie eines Investors ein Hotel, Büros, Praxen, Einzelhandel und eine Kita mit Spielplatz auf dem Dach. Bis zum Sommer soll der Umbau geschafft sein und die Zeichen für die zukünftige Nutzung seien gut, heißt es aus Recklinghausen. Bürgermeister Christof Tesche berichtete kürzlich im Interview mit dem WDR, dass die Bauarbeiten am alten Karstadt-Gebäude bereits Impulse für weitere Investitionen in der Innenstadt gesetzt hätten.

Annette Kiehl, wsp


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