30 Kostüme hat Horst Raack inzwischen für den „Carnevale di Venezia“ entworfen und angefertigt. Foto: Costumi
11.02.2021

Preisgekrönte Kostüme

Alles anders: Der venezianische Karneval findet in diesem Jahr ohne Publikum und digital statt. Sehr zum Bedauern von Goldschmied und Kostümschneider Horst Raack aus Enger, der mit seiner Gruppe Costumi hier Jahr für Jahr die Jury überzeugt.

Im Jahr 2004 war Horst Raack erstmals beim Karneval in Venedig. Und obwohl es dort tagelang in Strömen regnete, nahm ihn der besondere Zauber des Maskentreibens in der Lagunenstadt sofort gefangen. „Die prächtigen Kostüme mit ihren Anklängen an Barock und Rokoko vor der großartigen Kulisse Venedigs – das ist Romantik pur“, sagt er. 2009 reiste er erneut zum venezianischen Karneval. Im Gepäck: sechs selbstgeschneiderte Kostüme, zu denen ihn die Reisen des Marco Polo inspiriert hatten. 

Die edlen Gewänder zogen nicht nur die bewundernden Blicke der Touristen auf sich, sondern überzeugten auch die Jury des Wettbewerbs „La maschera più bella“, der alljährlich auf dem Markusplatz ausgetragen wird. Raack, der im ostwestfälischen Enger lebende Goldschmied, setzte sich gegen hunderte von Mitbewerbern durch, gewann den 1. Preis – und ging in den folgenden zehn Jahren mit seiner Gruppe Costumi sogar noch fünf weitere Male als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. 

„Sterne der Liebe“

30 Kostüme hat Horst Raack inzwischen für den „Carnevale di Venezia“ entworfen und angefertigt, jedes davon ist ein Kunstwerk, an dessen Detailreichtum man sich nicht sattsehen kann. Für jeden der acht Wettbewerbe, an denen er teilnahm, hat der 49-Jährige ein fantasievolles Konzept entwickelt. So hat er unter dem Motto „Teatime“ die Kleider mit Teekannen, Tassen und Tellern bestückt und eine komplett gedeckte festliche Tafel auf einem Reifrock arrangiert – inklusive Puppengeschirr, Silberbesteck und Petits Fours aus Stoff. Aus Hunderten von Pfauenfedern und rund 20.000 Glasperlen schuf er mit „La famille Fabergé“ eine Hommage an die berühmten Juweleneier der russischen Zaren. 

Bei den „Sternen der Liebe“ kombinierte Horst Raack Modezitate des 18. Jahrhunderts mit der Opulenz der Barockoper und schmückte die Kostüme von Venus, Mars und Cupido mit zahlreichen Fächern. Tiermasken, florale Stoffe und Naturmaterialien luden zu einem „Tag auf dem Lande“ ein. Mit allerlei Beleuchtungskörpern ließ er die „Kinder des Lichts“ erstrahlen: Ein sanft schimmernder Vollmond zierte die silberfarbene Robe der Königin der Nacht, während der Komet der Kunst einen Schweif aus Glasfaserlampen trug. 

„Meine Kostüme entstehen im Kopf. Oftmals bringe ich noch in der letzten Minute neue Ideen darin ein“, beschreibt Horst Raack seinen kreativen Prozess. Seine Schöpfungen entstehen aus edlen Stoffen wie Seide, Brokat und Samt, aber auch aus alten Vorhängen, Plastikteilen und Kunstfasern. Fündig wird er dabei im Theaterfundus und auf dem Flohmarkt, in Ein-Euro-Shops und in Baumärkten. 

Zehn Kilogramm schweres Kostüm

Auch ganz banale Alltagsgegenstände wie ein Platzset aus transparentem Kunststoff entfalten unter seinen Händen eine geheimnisvolle Wirkung: In schmale Streifen geschnitten wird es zu einer festlichen Perücke im Stil der Marie-Antoinette, die so wirkt, als sei sie aus Glas gefertigt. Der prachtvolle Kopfschmuck war die Krönung des Luna-Kostüms, das 2019 beim venezianischen Karneval von Horst Raacks Ehemann Jochen Schlüter getragen wurde. Ein wahrer Kraftakt, wiegt es doch über zehn Kilogramm. „Weil es zudem sehr ausladend ist, fällt es schwer, damit durch die engen Gassen der Stadt zu gehen. Man kann sich darin meistens nur seitwärts fortbewegen“, sagt der Engeraner, der bis zu zwei Jahre an einem Kostüm arbeitet. 

Vielfach preisgekrönt beim Karneval in Venedig - die westfälische Gruppe Costumi. Foto: Costumi

Vielfach preisgekrönt beim Karneval in Venedig – die westfälische Gruppe Costumi. Foto: Costumi

Einmal noch, so hat sich Horst Raack vorgenommen, will er mit seinen Kreationen am Wettbewerb „La maschera più bella“ auf dem Markusplatz teilnehmen. „Ich habe lange meine gesamte Freizeit in die Karnevalskostüme investiert und möchte mich künftig auch einmal anderen Dingen widmen“, erklärt er. 

In Museen ausgestellt

Mit seiner Gruppe Costumi hat er in der Vergangenheit als Walk Act Feste wie die Potsdamer Schlössernacht und die Bückeburger Landpartie bereichert. Inzwischen waren die fantasievollen Kostüme auch in Museen in Enger und Spenge zu sehen und warten jetzt im Heimatmuseum Vlotho auf die Wiedereröffnung nach der coronabedingten Schließung. 2022 sollen sie dann im Weserrenaissance-Museum Schloss Brake in Lemgo präsentiert werden – ergänzt um historische Exponate rund um den „Carnevale di Venezia“, die Horst Raack zusammengetragen hat. „Mir geht es darum, nicht nur einen Eindruck des venezianischen Karnevals, sondern auch der Grandezza Italiens zu vermitteln“, sagt er.  

Regina Doblies

Dieser Beitrag erschien zuerst in Heft 1/2021 des WESTFALENSPIEGEL.

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Weitere Bilder der Kostüme Horst Raacks unter www.costumi.de, Info zur Ausstellung in Vlotho unter www.heimatverein-vlotho.de

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