Das Kunstprojekt "Schilderwechsel" nimmt die Gebietsreform in den Blick. David Loscher und Sina Ebell untersuchen die Auswirkungen auf persönliche Biografien im heutigen Kreis Steinfurt. Foto: Onno Bargfrede
11.10.2024

Projekt „Schilderwechsel“ gestartet

Vor 50 Jahren hat die Gebietsreform kommunale Grenzen verschoben. Das Kunstprojekt „Schilderwechsel“ beschäftigt sich mit ihren Folgen.

Im gut gefüllten Kulturbahnhof in Münster-Hiltrup wurde am Donnerstag, 10. Oktober, der Auftakt für das Kunstprojekt „Schilderwechsel“ gefeiert. Es setzt sich mit der Gebietsreform von 1975 im Münsterland auseinander, mit der die Grenzen von Städten, Gemeinden und Landkreisen hier wie auch in ganz Nordrhein-Westfalen stark verändert wurden. Fünf im Kulturbahnhof vorgestellte Kunstaktionen beschäftigen sich bis zum kommenden Frühjahr mit diesem Thema. Das Projekt „Schilderwechsel“ wird vom Kulturbüro des Münsterland e. V. veranstaltet und von der LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Jubiläumsjahres „1250 Jahre Westfalen“ gefördert. Die Ergebnisse werden vom 7. bis 11. Mai 2025 präsentiert.

Fritz von Poblotzki, ehemaliger Stadtplaner der Stadt Münster, schildert als Zeitzeuge seine Erfahrungen mit der Umsetzung der Gebietsreform. Foto: Martin Zehren

Fritz von Poblotzki, ehemaliger Stadtplaner der Stadt Münster, schildert als Zeitzeuge seine Erfahrungen mit der Umsetzung der Gebietsreform. Foto: Martin Zehren

Bei der Gebietsreform gehe es die Themen Herz, Identifikation und Heimat, sagte die Kulturdezernentin der Bezirksregierung Münster, Angelika Weide, in ihrer Begrüßungsrede. Sie betonte die drastischen Auswirkungen der Reform, durch die die Zahl der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen von 1965 bis 1977 von mehr als 2300 auf 396 zurückging. Anneli Hegerfeld-Reckert, Vorsitzende des Kuratoriums der LWL-Kulturstiftung, erinnerte im Anschluss daran, dass es vielen Menschen bei der Gebietsreform schwerfiel, ihre lokale Identität aufgeben zu müssen. Doch es gebe neben lautstarken Kritikern der Reform auch leidenschaftliche Befürworter. Das Kunstprojekt „Schilderwechsel“ werde die Reform daher aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.

Reform habe „keinen guten Ruf“

Die Historikerin Dr. Claudia Kemper vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte sagte in einem Vortrag, dass die Gebietsreform zwar „keinen guten Ruf“ habe. Trotz aller Kritik wurde sie aber „weitgehend reibungslos umgesetzt“. Sie habe viele Doppelstrukturen in den Gemeinden aufgelöst. Der ehemalige Stadtplaner für die kommunale Neugliederung der Stadt Münster, Fritz von Poblotzki, sagte als Zeitzeuge, die größte Herausforderung bei der Umsetzung der Reform für Münster war, das beginnende Mittelzentrum Hiltrup in die größere Stadt Münster einzugemeinden. „Das ist uns gelungen, sonst wäre das alles nichts gewesen“, bilanzierte er.

Talkrunde beim Auftakt von „Schilderwechsel“: Christoph Tiemann (li.) und Johannes Kraas stellten im Gespräch mit Moderatorin Türkân Heinrich ihr Projekt vor, den True-Crime-Podcast „Eine Einkreisung“, der im Kreis Borken spielt. Foto: Martin Zehren

Talkrunde beim Auftakt von „Schilderwechsel“: Christoph Tiemann (li.) und Johannes Kraas stellten im Gespräch mit Moderatorin Türkân Heinrich ihr Projekt vor, den True-Crime-Podcast „Eine Einkreisung“, der im Kreis Borken spielt. Foto: Martin Zehren

Die fünf jetzt startenden Kunstprojekte wählen sehr unterschiedliche Ansätze, um sich mit den Auswirkungen der Gebietsreform auseinanderzusetzen. Sina Ebell und David Loscher wollen im Kreis Steinfurt einen Essayfilm drehen und arbeiten dafür mit örtlichen Heimatvereinen zusammen. Nikola Dicke plant einen Trickfilm in Mixed-Media-Technik über Erfahrungen mit der Gebietsreform im Kreis Coesfeld. Einen True-Crime-Podcast wollen Sarah Giese, Christoph Tiemann und Johannes Kraas im Kreis Borken realisieren. Stefanie Bockermann (Theater XS) will in Theaterworkshops im Kreis Warendorf Minidramen mit Jugendlichen entwickeln. Und Chryssa Tsampazi will ein Volksbegehren gegen die Gebietsreform aus dem Jahr 1974 als Reenactment inszenieren.

Weitere Informationen zum Gesamtprojekt und den Kunstaktionen lesen Sie hier. Ein Beitrag zur Gebietsreform in Westfalen-Lippe erscheint in der nächsten Ausgabe des Magazins Westfalenspiegel am 30. November.

Martin Zehren/wsp

 

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