Der Historiker Prof. Thomas Großbölting leitete die Missbrauchsstudie in Münster. Foto: privat
13.07.2022

Reformwille wird angezweifelt

Einen Monat ist es her, dass Wissenschaftler der Universität Münster die Ergebnisse ihrer Studie über sexuellen Missbrauch im Bistum Münster vorgestellt haben. Ihr Eindruck: Großen Reformwillen in der katholischen Kirche haben die Ergebnisse nicht ausgelöst.

„Noch kann ich nicht erkennen, dass unsere Studie jemanden wachgerüttelt hat, ich sehe keinen grundlegenden Aufbruch“, sagt etwa Studienleiter Prof. Dr. Thomas Großbölting im Gespräch mit der Unizeitung der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU). Dabei waren die Ergebnisse erschütternd. Rund 200 Kleriker konnten als Täter nachgewiesen werden. Zwischen 1945 und 2020 wurden demnach bis zu 6000 Minderjährige von Amtsträgern der katholischen Kirche sexuell missbraucht.


Lesen Sie unseren Beitrag zur Missbrauchsstudie: Flächendeckender Missbrauch


Zwar gab es von Seiten der Bistumsleitung das Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben. Auch Entschuldigungen wurden ausgesprochen. Zudem wurde eine Website, auf der Betroffene sich melden können, eingerichtet – den Willen zu wirklich großen Veränderungen stellen Kirchenexperten der WWU aber nicht fest. „Sexueller und geistlicher Missbrauch ist immer Machtmissbrauch. Deshalb muss die klerikale Macht strukturell begrenzt werden“, sagt etwa Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins, Direktorin des Instituts für christliche Sozialwissenschaften der WWU. Die Kirchenoberen müssten Macht abgeben, so die Wissenschaftlerin weiter.

Zulassung verheirateter Priester gefordert

Prof. Dr. Hubert Wolf, Kirchenhistoriker an der Universität Münster, ergänzte im Gespräch mit der Unizeitung: „Die Kirche muss das Strukturproblem, das den Missbrauch begünstigt, mit grundlegenden Reformen angehen: Zulassung verheirateter Priester, Weihe von Frauen, Einführung einer unabhängigen kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, Wahl der Bischöfe vor Ort statt einer römischen Ernennung, Einführung synodaler Strukturen und die Übergabe der Finanzhoheit an die Laien.“

Die Experten haben aber wenig Hoffnung, dass sich an der Haltung der katholischen Kirche nachhaltig etwas ändern könnte. Sie glauben nicht, dass die Kirche zu wirklichen Veränderungen bereit ist.

wsp

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