Rohstoffe werden knapp
Bauherren und Kunden der Möbelbranche müssen sich wohl auf längere Bau- und Lieferzeiten sowie steigende Preise einstellen. Hintergrund sind Lieferengpässe bei zahlreichen Rohstoffen.
„Es ist wirklich eine besondere Situation: es wird knapp bei fast allen Materialien“, erklärt Leo Lübke, Geschäftsführer des Sitzmöbelherstellers Cor in Rheda-Wiedenbrück und Vizepräsident des Verbands der deutschen Möbelindustrie. Neben Holzwerkstoffen wie Spanplatten können auch Metallteile, Beschläge und Funktionselemente sowie Polstermaterialien wie Schäume, Vliese, Stoffe und Leder oft nicht rechtzeitig geliefert werden. Cor trifft vor allem der Lieferengpass der Schäume, die für die Polsterung der Sitzmöbel benötigt werden.
Die Lieferengpässe bremsen die Branche aus. Denn die Auftragsbücher bei den meisten Unternehmen sind gut gefüllt. Weil Corona seit fast einem Jahr Reisen verhindert, machen sich viele Menschen ihr eigenes Zuhause schön und kaufen Möbel. Lübke hat für sein Unternehmen in den ersten vier Monaten Auftragszuwächse im unteren zweistelligen Prozentbereich registriert.
Volle Auftragsbücher, leere Lager
Auch die Auftragsbücher vieler Gewerke im Bauhandwerk sind voll. „Das Problem ist aber, dass die bestellten Waren nicht kommen“, erklärt Johannes Schmitz von den Bauverbänden NRW. Der Zimmerer und Holzbauer gibt einige Beispiele: Auf Dämmmaterialien habe er in normalen Zeiten etwa 14 Tage warten müssen, aktuell sind es bis zu vier Monaten. Auch die Lieferzeiten von Bauholz haben sich verdoppelt oder sogar verdreifacht.
Zudem sind die Preise explodiert. Beispiel Dachlatten: „Bis 2018 haben wir für den laufenden Meter 38 bis 40 Cent bezahlt. Aktuell sind es 1,75 Euro“, so Schmitz. Beim Konstruktionsvollholz, das etwa bei Bau eines Dachstuhls zum Einsatz kommt, sieht es ähnlich aus. „Problematisch sind zudem die großen Schwankungen. Angebote können wir daher nur tagesaktuell schreiben“, erklärt Schmitz. In einigen Betrieben könnte der Materialmangel bald sogar zu Kurzarbeit führen.
Die aktuelle Knappheit bei vielen Baumaterialien habe mehrere Ursachen, so das NRW-Bauministerium: Verschobene Lieferketten auf den Weltmärkten mit Nachfrager-Hotspots, die insbesondere Holz und Stahl derzeit knapp werden lassen, Corona-bedingte Minderbedarfe bei Automobilkraftstoffen und Kerosin führen in der Folge zu Engpässen in der chemischen Industrie für die Kunststoffproduktion, durch geringere Kohleverstromung gibt es weniger Flugasche, die wiederum für die Gipsproduktion benötigt wird.
Holzsxport nach China und in die USA als Preistreiber
Auch Bauministerin Ina Scharrenbach beobachtet die Engpässe: „Ohne Baumaterial kein Bauen, ohne bezahlbares Baumaterial kein bezahlbares Bauen. Die aktuelle Situation wird nachhaltig wirken: Auf die Neubautätigkeit sowie auf Miete und Eigentum.“ Die Ministerin traf sich im Laufe der Woche mit Vertretern der Wohnungswirtschaft sowie der Bauverbände und der Deutschen Holzindustrie.
Für den Holzmarkt erklärte der Landesbetrieb Wald und Holz am Freitag: Hölzer, die die heimischen Sägewerke verlassen, werden aktuell vor allem in die USA exportiert. China habe dagegen den Import von Rundholz, also von Stammstücken, wie sie direkt aus dem Wald transportiert werden, deutlich gesteigert. „Wir erleben aktuell eine Überhitzung des Marktes. Das wird sich auch wieder beruhigen“, sagte Andreas Wiebe, Leiter von Wald und Holz NRW.
jüb/wsp