Prof. Dr. Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2022. Foto: SVWL
22.02.2023

„Schockstarre im Immobiliensektor“

Die Sparkassen in der Region mussten sich im Krisenjahr 2022 behaupten. Das Geschäft mit Wohnungsbaukrediten brach angesichts steigender Zinsen und Inflation ein, zeigt die Jahresbilanz des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe.

Noch im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres legte das Volumen der bei Sparkassen in der Region neu abgeschlossenen Baukredite um 13,8 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro zu. In der zweiten Jahreshälfte führte dann eine Vervierfachung der Darlehenszinsen bei weiterhin hohen Immobilienpreisen gepaart mit der hohen Inflation „insgesamt zu einer Schockstarre im Immobiliensektor“, so Prof. Dr. Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe. Die Folge: Die Darlehenszusagen bei den westfälisch-lippischen Sparkassen brachen um 27,8 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro ein. Nur aufgrund des guten ersten Halbjahres habe sich der Rückgang im gesamten Jahr 2022 auf lediglich 6,6 Prozent belaufen, so Buchholz. Die Sparkassen-Präsidentin warnte vor den Auswirkungen der Inflation, die 2022 neuen Berechnungen zufolge bei 6,9 Prozent lag. Der Wohlstandsverlust treffe nun auch die Mittelschicht und mache es vielen Menschen schwerer, Vorsorge zu betreiben. „Er führt zudem zu einer Altersarmut, die besonders bei Frauen immer mehr Fahrt aufnimmt“, beobachtet Buchholz. 

Mittelständische Wirtschaft ist widerstandsfähig

Doch es gibt auch positive Entwicklungen: Der nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der Energiekrise erwartete Einbruch der Konjunktur bliebt aus, der Mittelstand habe seine Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt, so Buchholz. Das Ende der Nullzinsphase habe die Anlagemöglichkeiten auf Sparbüchern, Festgeld oder Lebensversicherungen deutlich vergrößert. Zudem erwartet die Präsidentin Preisrückgänge bei Immobilien. In der Region sagten die Sparkassen den Unternehmen – mehr als jeder zweite Betrieb ist dort Kunde – Kredite im Volumen von insgesamt 13,6 Milliarden Euro zu. Auch hier kam es nach einem starken ersten Halbjahr zu einem Einbruch der Kreditzusagen im zweiten Halbjahr. Sparkassen-Vizepräsident Jürgen Wannhoff sprach von „akuten Anpassungsprozessen“, die die Unternehmen in Zeiten unterbrochener Lieferketten, gestiegener Energiepreise und Inflation geleistet haben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig stünde die Wirtschaft vor der Herausforderung, in die Digitalisierung und mehr Nachhaltigkeit zu investieren. 

50 Sparkassen gab es zum 1. Januar 2023 in Westfalen-Lippe. Eingerechnet dabei sind bereits die jüngsten Fusionen der Sparkassen Emsdetten-Ochtrup und SoestWerl-und Lippstadt. Ein weiterer Zusammenschluss ist schon beschlossen: Zum 1. April 2023 gehen die drei Sparkassen Paderborn-Detmold und Höxter und Delbrück zusammen. Auch die Träger der Sparkassen Westmünsterland und Haltern am See erwägen eine Fusion. Positiv für die Sparkassen in der Region waren um 152 Millionen Euro gestiegene Erträge aus dem Zinsüberschuss. Der Provisionsüberschuss legte um 56 Millionen Euro zu. Erstmals seit 2017 können die Sparkassen ihr Betriebsergebnis vor Bewertung steigern – auf rund 1,37 Milliarden Euro, das sind 189 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

aki, wsp

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