Wohnungsnot und steigende Mieten sind in vielen Städten ein Thema. Foto: Alexander Hauk, pixelio.de
16.09.2021

Schwieriger Weg zur Wahlurne

Der Gang zum Wahllokal oder das Ausfüllen der Briefwahlunterlagen ist nicht für alle Menschen selbstverständlich. Für Wohnungslose gibt es einige Hürden bei der Wahl, politisches Interesse ist jedoch bei vielen vorhanden.

Wer an der Bundestagswahl teilnehmen will, braucht keinen festen Wohnsitz. „Es muss ein Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis gestellt werden“, erklärt Bastian Pütter, Redaktionsleiter beim Straßenmagazin Bodo für Dortmund und Bochum. Die deutsche Staatsbürgerschaft und ein Ausweis sind Voraussetzungen für diesen Schritt, zudem muss eine Frist eingehalten werden. Für viele Menschen, die auf der Straße leben, sei dies bereits eine Hürde, beobachtet Pütter. „Wohnungslose haben meist großen Stress im Alltag. Unter Umständen gibt es eine psychische Erkrankung oder eine Suchtproblematik. Vielen ist es dann nicht möglich, die Wahlunterlagen zu organisieren, auch wenn es Unterstützung von Einrichtungen und auch den Kommunen gibt.“

„Klimawandel spielt für Menschen ohne festen Wohnsitz eine Rolle“

Interesse an politischen Themen gebe es jedoch durchaus, berichtet der Leiter des bodo-Magazins, das unter anderem einen Buchladen, eine Kleiderkammer und Beratungsstellen im Ruhrgebiet unterhält. „Manche Wohnungslose verfolgen politische Themen und Debatten durchaus intensiv, zum Beispiel mithilfe gespendeter Smartphones“, erzählt Pütter. „Dabei geht es nicht nur um Sozialthemen. Auch der Klimawandel spielt für Menschen ohne festen Wohnsitz eine große Rolle. Schließlich sind sie von Hitze oder auch Starkregen sehr unmittelbar betroffen.“

Ein „bodo“-Verkäufer in Dortmund. Foto: Sebastian Sellhorst

In Münster leitet Thomas Mühlbauer das Haus der Wohnungslosenhilfe, das Schlafmöglichkeiten und eine soziale Betreuung für kürzere und längere Zeiträume bietet. Auch er beobachtet ein politisches Interesse bei seinen Klienten – zumal es beim Thema Wohnungslosigkeit in den vergangenen Jahren einige Veränderungen gegeben hat. „Der angespannte Wohnungsmarkt hat dazu geführt, dass es immer auch Menschen gibt, die aus einem bürgerlichen Umfeld kommen und vielleicht sogar eine Arbeit haben, ihre Wohnung aber verloren haben.“ Hier gebe es durchaus ein Interesse, die Stimme bei der Wahl abzugeben. „Wir informieren dann über den Ablauf, unterstützen das Interesse und begleiten auf dem Weg, um die bürokratischen Hürden zu überwinden“, so Mühlbauer. 

Spitzenpolitiker beziehen Position

Die bodo-Redaktion hat in Kooperation mit 20 weiteren Straßenmagazinen Interviews mit Spitzenpolitikern der im Bundestag vertretenen Parteien geführt. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet sprach hier unter anderem über Obdachlosigkeit in Städten und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz über Wohnungsbau. Janine Wissler von der Linken über Immobilienkonzerne, FDP-Chef Christian Lindner über die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen und Grünen-Chef Robert Habeck über das Recht auf bezahlbares Wohnen. Redaktionsleiter Bastian Pütter beobachtet, dass diese Themen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen seien: „Viele Menschen machen mittlerweile die Erfahrung, dass es einen harten Wettbewerb um Wohnungen gibt, und zwar nicht nur in Metropolen, sondern auch im Ruhrgebiet.“

Auch Thomas Mühlbauer aus Münster sieht, dass das Thema Wohnungslosigkeit auf der Agenda der Politik steht. „Menschen ohne festen Wohnsitz haben nicht unbedingt eine politische Lobby. Aber da es immer mehr Menschen gibt, die trotz Job große Probleme auf dem Wohnungsmarkt haben, ist die Bedeutung des Themas gestiegen, auch im Wahlkampf.“ 

Annette Kiehl, wsp

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