Prof. Dr. Malte Thießen leitet das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte in Münster. Foto: LWL/Nolte
20.05.2022

„Seuchen sind Normalzustand“

Infektionszahlen sinken und „Corona“ hat für viele Menschen den Schrecken verloren. Doch ist die Pandemie damit Geschichte? Der Medizinhistoriker Prof. Malte Thießen vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte in Münster spricht über Lehren aus der Geschichte.

Die Pocken gelten dank Impfungen aus ausgerottet, während die Influenza immer wieder als saisonale „Grippewelle“ zurückkehrt. Es spreche einiges dafür, dass das Corona-Virus in verschiedenen Mutationen die Bevölkerung immer wieder beschäftigen werde, prognostiziert Thießen und berichtet: „Eine weitere historische Erkenntnis ist, dass Menschen sich an Pandemien gewöhnen. Man macht seinen Frieden mit ihr und lernt, mit den Toten zu leben.“

„Zeitalter der Immunität“

Der Historiker, der 2021 seine Forschungsergebnisse in dem Buch „Eine Gesellschaftsgeschichte der Coronapandemie“ veröffentlichte, beschreibt ein „Zeitalter der Immunität“, in dem ein großer Teil der Menschheit dank Impfungen und Antibiotika lebe. Dieser Eindruck sei jedoch trügerisch. Der Blick in die Geschichte zeige, dass Seuchen ein „Normalzustand“ seien, so Thießen: „Vor Corona waren Infektionskrankheiten für uns etwas Altertümliches oder etwas von fernen Kontinenten, aber nichts, was unser Problem sein könnte: Die Seuche, das waren die anderen. Diese Vorstellung hat uns Anfang 2020 in falscher Sicherheit gewogen und den Beginn der Pandemie allzu sorglos angehen lassen.“ 

Der Münsteraner Institutsleiter mahnt daher, achtsam zu bleiben. Er betont: „Seuchen sind eben nicht von gestern, so gerne ich das als Seuchenhistoriker behaupten würde.“

wsp

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