
Solidarität und Sorge
Nach den Terrorangriffen der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel gibt es eine große Welle der Solidarität in der Region. Zugleich wächst in Westfalen die Sorge vor antisemitischen Übergriffen.
„Wir fühlen uns besorgt und betroffen angesichts der Bilder aus Israel, die Konflikte und Gewalt zeigen“, sagt die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen, Slava Pasku, gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL. Viele Gemeindemitglieder bangen dort um Verwandte, Freunde und Bekannte. Zudem löse der terroristische Angriff in Israel weltweit Sorgen bezüglich der Sicherheit jüdischer Gemeinden aus. Auch ihr eigenes Sicherheitsgefühl habe sich verändert, so Pasku weiter: „Ich bin jetzt vorsichtiger, wenn ich die Gemeinde verlasse. Ich achte darauf, ob mir jemand möglicherweise folgt.“
Lesen Sie hier das ganze Interview mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen, Slava Pasku: „Ich bin jetzt vorsichtiger“
Grund für die Ängste sind auch Erfahrungen aus dem Frühjahr 2021. Damals eskalierte die Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis, nachdem es zunächst zu gewaltsamen Protesten in Jerusalem gekommen war. In der Folge brannten auch vor jüdischen Einrichtungen in Westfalen Israelfahnen, vor der Synagoge in Gelsenkirchen marschierte ein gewaltbereiter Mob auf, der antisemitische Parolen skandierte. Die Polizei registrierte vor zwei Jahren einen sprunghaften Anstieg antisemitischer Straftaten in NRW.
„Wir fürchten, dass die Zahlen der antisemitischen Vorfälle auch in diesem Jahr in Folge der dramatischen Entwicklung im Nahen Osten deutlich steigen könnten“, sagt Micha Neumann von der Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus (ADIRA) in Dortmund. Aus Gesprächen mit den jüdischen Gemeinden wisse er, dass viele Jüdinnen und Juden ängstlicher werden und sich fragen, ob sie sich als Jude noch in der Öffentlichkeit zeigen können.
Große Unterstützung
Es gibt aber auch große Unterstützung für Israel und in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden. So gab es bereits zahlreiche Solidaritätskundgebungen unter anderem in Münster, Dortmund und Dorsten, auf denen der Angriff der Hamas verurteilt und die uneingeschränkte Unterstützung für Israel zugesagt wurde. Vor einigen Rathäusern wehen zum Zeichen der Unterstützung Israelfahnen, etwa in Münster. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe betonte, man stehe fest an der Seite Israels und an der Seite unserer israelischen Freundinnen und Freunde in Münster. Ähnlich äußerten sich auch weitere Bürgermeister sowie LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann.
Reaktionen kamen auch aus dem Kulturbereich. So zeigten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten „schockiert und betroffen über den brutalen Terrorangriff auf Israel“, wie ein Facebook-Post verdeutlicht. Man verurteile die barbarische Gewalt und stehe in voller Solidarität zu Israel und den Jüdinnen und Juden in Deutschland, sagt Museumsleiterin Dr. Kathrin Pieren im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. Sie berichtet aber auch von einer gewissen Verunsicherung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welche Folgen die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten nach sich ziehen könne.
Filmveranstaltung abgesagt
Eine Filmveranstaltung des Museums im Kino in Dorsten, die an diesem Sonntag (15.10.) stattfinden sollte, wurde abgesagt. „Dort sollte die israelische Satire ,Tel Aviv on fire’ gezeigt werden, aber das wäre in der momentanen Lage völlig unangemessen“, so Pieren. Ansonsten will das Museum an seinem Programm festhalten. So soll es am 12. November eine Lesung des israelischen Journalisten Igal Avidan geben, der in seinem Buch „… und es wurde Licht“ über gelungene Beispiele jüdisch-arabischen Zusammenlebens in Israel berichtet. „Wir wollen bewusst auch Positives berichten. Wir wollen zum Dialog anregen mit allen Menschen, die das auch wollen“, sagt Pieren.
Für die Zeit nach den Ferien, wenn wieder mehr Schülerinnen und Schüler das Museum besuchen, stellen sich die Mitarbeiter auf Fragen zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ein. „Auch wenn in unserem Museum nicht das Land Israel sondern das Leben von Jüdinnen und Juden in Westfalen im Mittelpunkt steht, sind wir darauf vorbereitet, wenn Schülerinnen und Schüler oder auch Erwachsene Ängste oder auch Aggressionen äußern“, so Pieren weiter.
Jürgen Bröker, wsp