Heinrich Lübke (1894-1972), hier 1959 in Bonn, Foto: Imago/Sven Simon
06.04.2022

Staatschef aus Enkhausen 

Am heutigen 6. April jährt sich der Todestag von Heinrich Lübke zum 50. Mal. Der Westfale war von 1959 bis 1969 Bundespräsident. Lesen Sie hier ein Porträt des Politikers aus dem aktuellen WESTFALENSPIEGEL.

Vor wenigen Wochen wurde von der Bundesversammlung in Berlin der zwölfte Bundespräsident im Amt bestätigt: Frank-Walter Steinmeier wird uns in den kommenden fünf Jahren als höchster Repräsentant im In- und Ausland vertreten. Ein guter Anlass, um an einen anderen Präsidenten zu erinnern, der, wie Steinmeier, aus unserem Bundesland stammt und das Amt in den 1960er Jahren innehatte: Heinrich Lübke aus dem sauerländischen Enkhausen (bei Sundern), dessen Todestag sich am 6. April zum 50. Mal jährt.

Mit Heinrich Lübke, der am 13. September 1959 als Nachfolger von Theodor Heuss feierlich vereidigt wurde, bekam das hohe Amt ein neues Gesicht. An die Stelle des liberalen Bildungsbürgers Heuss trat nun ein katholisch sozialisierter Politiker, der schon in den Endjahren der Weimarer Republik für die Zentrumspartei im Preußischen Landtag gesessen hatte und nach dem Krieg als Abgeordneter und später auch als Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zunächst in Düsseldorf und dann in Bonn Karriere machte.

Nun war er also Bundespräsident. Das weiße Haar akkurat gescheitelt, machte er mit seiner altväterlichen Ausstrahlung im ordensgeschmückten Frack bei Staatsempfängen und Auslandsreisen optisch eine gute Figur. Wenn da nur nicht seine Stimme gewesen wäre, mit der er sich im damals noch schwarz-weißen Fernsehen stockend durch die alljährlichen Neujahrsansprachen quälte – holprig, leicht nuschelnd und verwaschen, ohne Kraft und Charisma. Der Mangel an rhetorischem Vermögen rief früh die Kabarettisten auf den Plan und bald auch eine kritische Öffentlichkeit, die sich angesichts sich häufender verbaler Ungeschicklichkeiten fragte: Wer ist bloß dieser Mann?

Lübke stammte aus bescheidenen Verhältnissen

Lübke, 1894 geboren, stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Sein früh verstorbener Vater war Schuhmacher, der die kinderreiche Familie mit einer kleinen Landwirtschaft im Nebenerwerb recht und schlecht ernähren konnte. Heinrich lernte gut, absolvierte ein Ingenieursstudium in Bonn, wurde Soldat im Ersten Weltkrieg und betätigte sich anschließend in Berlin als Geschäftsführer verschiedener Kleinbauernverbände. 1929 heiratete er Wilhelmine Keutgen, eine Lehrerin, die auch aus dem Sauerland stammte. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung verlor er seine Stellung. Erst 1937 fand er eine neue Beschäftigung. Seit 1939 war er leitender Ingenieur bei der Firma Schlempp, die direkt Hitlers Günstling Albert Speer zuarbeitete. Hier verantwortete Lübke nun während der Kriegsjahre den Bau von Baracken für Fremdarbeiter und organisierte deren Einsatz in Peenemünde und später in kriegswichtigen Industrien. Dieses unschöne Kapitel seiner Vergangenheit sollte ihn später noch einholen, als die DDR-Staatssicherheit eine manipulierte Akte veröffentlichte, die beweisen sollte, dass Lübke KZ-Baracken entworfen hätte. Das war zwar eine Fälschung, aber seine Nähe zur NS-Kriegswirtschaft war unübersehbar.

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Den Zweifeln an Lübkes Integrität stand gegenüber, dass er lebenslang ein leidenschaftlicher Fürsprecher der „kleinen Leute“ war. Auch sein Einsatz für die Entwicklungs- und Welthungerhilfe sollte nicht vergessen sein. Nach seiner Wiederwahl 1964 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, so dass er kurz vor dem Ende der zweiten Amtszeit seinen Rücktritt erklärte.

Den Ruhestand verbrachte Heinrich Lübke in Bonn. Der sauerländischen Heimat blieb er bis zu seinem Tod am 6. April 1972 tief verbunden. Sein Grab fand er in seinem Geburtsort Enkhausen, wo heute ein kleines Museum an ihn erinnert.

Volker Jakob

Dieser Artikel ist aus dem WESTFALENSPIEGEL 2/2022. Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Gerne senden wir Ihnen im Rahmen unseres Probeabos die nächsten beiden Ausgaben kostenlos zu. Klicken Sie dazu einfach hier.

 

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