Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe vor einer Tafel mit den Namen der Partnerstädte von Münster. Foto: Amt für Kommunikation der Stadt Münster
27.04.2022

Städtepartnerschaften auf Eis

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine belastet die Partnerschaften westfälischer Städte mit russischen Kommunen. Gleichzeitig werden Hilfsangebote für ukrainische Partner ausgeweitet. 

Mehr als ein Dutzend westfälischer Städte unterhält freundschaftliche Beziehungen zu russischen Städten. Doch nun ruhen diese Beziehungen zumeist. Beispielsweise haben Gelsenkirchen und Herne ihre Partnerschaft mit den russischen Städten Schachty und Belgograd auf Eis gelegt. Auch in Gütersloh ist die Partnerschaft erst einmal eingefroren worden. Dort habe man vergeblich auf ein Zeichen der Verurteilung des Krieges gegen die Ukraine aus der Partnerstadt Rshew gewartet, heißt es. Mit der Aussetzung der Städtepartnerschaft sei auch verbunden, dass die russische Stadt nicht am Kulturprojekt „C-Cities“ mit den anderen Partnerstädten teilnehmen wird, das im Mai seinen Auftakt in Gütersloh hat.

Münster geht einen anderen Weg. Dort pflegt man seit 1989 eine Städtepartnerschaft mit Rjasan. In der Domstadt hält man diesen Kontakt auch während des Krieges – wenn auch auf niedrigem Niveau – aufrecht und zwar unter der Prämisse „von Mensch zu Mensch“, teilt die Stadt auf Anfrage des WESTFALENSPIEGEL mit. Münster möchte insbesondere die bestehenden Kontakte auf  bürgerschaftlicher Ebene weiterhin unterstützen und begleiten, heißt es weiter.

Austausch auf Sparflamme

Bereits vor Kriegsbeginn hatte Oberbürgermeister Markus Lewe verschiedene Appelle zur Kooperation und für den Frieden nach Rjasan gesandt. Seit Beginn der Kriegshandlungen habe Lewe zudem den städtepartnerschaftlichen Kontakt genutzt, um weitere Friedenssignale zu senden, so die Stadt. Aus Rjasan kam als Antwort der Wunsch, dass die freundschaftlichen Kontakte trotz unterschiedlicher politischer Ansichten bestehen bleiben. Momentan gibt es einen Austausch auf Sparflamme. So finden monatlich kurze Videokonferenzen statt, bei denen das Thema „Ukraine-Krieg“ allerdings außen vorgelassen werde, heißt es weiter. An konkreten Kooperationsprojekten wird aktuell nicht weitergearbeitet.

Zugleich unterstützen zahlreiche Initiativen Partnerstädte in der Ukraine oder im benachbarten Polen. Ein Forum der Auslandsgesellschaft stellt dieses Thema in den Fokus. Dort heißt es am 3. Mai 2022: „Städtepartnerschaften: Unterstützung der Ukraine, aber wie?“ Dabei sollen gelungene Beispiele vorgestellt und die Möglichkeit zum Austausch geboten werden. So organisierte der Kreis Lippe eine Lieferung mit Medikamenten und medizinischer Ausstattung für seine ukrainische Partnerstadt Lutsk. Anfang Mai kommen Vertreter der Partnerstädte Chodziez (Polen) und Kaunas (Litauen) zum Europatag nach Detmold. Dort soll bei gemeinsamen Arbeitstreffen über die jeweiligen Ansätze bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen gesprochen werden. Ziel sei es, hier voneinander zu lernen und idealerweise Lösungsansätze zu entwickeln, wie Hilfsangebote und die Integration bestmöglich gelingen können, so ein Sprecher des Kreises Lippe.

Bochum unterstützt Menschen in der Ukraine

Wie schwierig die Unterstützung vor dem Hintergrund des Krieges aber auch sein kann, zeigt ein Beispiel aus dem Ruhrgebiet. So gibt es in Bochum eine Partnerschaft mit Donezk in der Ukraine. Allerdings wurde dort schon 2014 mit Beginn des Krieges im Osten der Ukraine die „Volksrepublik Donezk“ ausgerufen. Seither sei keine offizielle Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Donezk mehr möglich, da demokratisch legitimierte politische Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner fehlten, erklärt eine Sprecherin der Stadt Bochum.

Nix verpassen –
Newsletter lesen!

Die wichtigsten Nachrichten aus der Region jeden Freitag im Posteingang!

Der Verein „Gesellschaft Bochum-Donezk“ unterstützt seit 2014 – neben der humanitären Hilfe – aber weiterhin ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie verschiedene Hilfsprojekte in der Ostukraine. „Seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hilft die Gesellschaft Bochum-Donezk Ukrainerinnen und Ukrainer zudem durch die Organisation von Notfallpaketen, die in die Westukraine gebracht und von dort aus in der Ukraine weiterverteilt werden“, so die Stadt. Bisher seien 20 Hilfstransporte aus Bochum auf den Weg gebracht worden. Zusätzlich werden Lebensmittel direkt in der Ukraine gekauft und weiterverteilt, um die ansässigen Bauern zu unterstützen.

Partnerschaften werden wiederentdeckt

Städtepartnerschaften könnten wichtige Hilfe auf ganz unterschiedlichen Gebieten leisten – vom Transport von Hilfsgütern in Partnerstädte in der Ukraine oder solchen in den Nachbarstaaten, über die Aufnahme Geflüchteter, bis hin zur Vorbereitung eines künftigen Wiederaufbaus durch Unterstützung bei Infrastruktur- oder anderen Projekten vor Ort, so die Auslandsgesellschaft. Über Ringpartnerschaften und Städtenetzwerke könne diese Hilfe auch von anderen Partnerstädte gefördert und breiter aufgestellt werden. Auch darüber soll beim Forum am 3. Mai gesprochen werden.

Ende 2020 ging die Netzwerkstelle Städtepartnerschaft der Auslandsgesellschaft an den Start. Auch um mit dem etwas angestaubten Image der Städtepartnerschaften aufzuräumen. Nun werden die Partnerschaften zwischen Kommunen „quasi wiederentdeckt“, erklärt die Auslandsgesellschaft: von Seiten der Städte selbst als Instrument der Integration der eigenen Stadtgesellschaft und auf regionaler und internationaler Bühne als Instrument der Standortstärkung. Dabei rücken thematische Gemeinsamkeiten viel stärker in den Fokus. Ein Beispiel sind etwa die Klimapartnerschaften der Gemeinde Saerbeck.

Jürgen Bröker, wsp

Weitere Informationen zur Veranstaltung der Auslandsgesellschaft finden Sie hier.

Lesen Sie auch im Bereich "Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin