Der Überlebende Lev Frankfurt gedachte 2015 auf dem Ehrenfriedhof nahe der Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) in Schloss Holte-Stukenbrock der verstorbenen sowjetischen Soldaten. Foto: Land NRW / U. Wagner
18.08.2022

Stalag-Überlebender Lev Frankfurt verstorben

Lev Frankfurt, Überlebender des Kriegsgefangenenlagers Stalag 326 (VI K) Senne im ostwestfälischen Schloß Holte-Stukenbrock, ist tot. Er verstarb am Montag (15.08.) im Alter von 100 Jahren in seinem Wohnort Bad Nauheim.

„Er war der letzte Überlebende des Stalag, zu dem wir Kontakt hatten“, sagt Oliver Nickel, der Leiter der Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne. Zuletzt hatte Nickel ihn Anfang dieses Jahres in Bad Nauheim besucht. Lev Frankfurt wurde dort bereits beigesetzt. 

Als sowjetischer Kriegsgefangener kam Lev Frankfurt während des Zweiten Weltkriegs ins Stalag 326 und sollte dort hingerichtet werden. Der Lagerarzt Iwan Alexejev rettete ihm das Leben, indem er Lev Frankfurt für tot erklärt und ihn unter falscher Identität in ein anderes Lager überstellt hat. Nach seiner Befreiung aus deutscher Kriegsgefangenschaft lebte Lev Frankfurt lange Zeit in der Sowjetunion. 1996/97 zog er nach Bad Nauheim. 

Kennengelernt hatte Nickel Lev Frankfurt vor rund 15 Jahren. Der Stalag-Überlebende war öfters in Schloß Holte-Stukenbrock zu Gast, unter anderem als der damalige Bundespräsident Joachim Gauck 2015 die Gedenkstätte besuchte. In Schulen in Schloß Holte-Stukenbrock hat Lev Frankfurt mehrfach mit jungen Menschen gesprochen. „Ihm war es wichtig, seine Geschichte und seine Gedanken von Frieden und Völkerverständigung zu erzählen“, berichtet der Leiter der Gedenkstätte. Für ihr Engagement wurden Lev Frankfurt und seiner Tochter Irina Stukalova im Mai die Ehrenmitgliedschaft im Förderverein der Gedenkstätte verliehen. „Lev Frankfurt war bis zuletzt geistig fit und ist überraschend gestorben“, sagt Oliver Nickel.

Lev Frankfurt gedachte gemeinsam mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck den verstorbenen sowjetischen Soldaten. Foto: Land NRW / U. Wagner

Lev Frankfurt begegnete beim Gedenken an die Kriegsopfer 2015 in Schloß Holte-Stukenbrock auch dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Foto: Land NRW / U. Wagner

Das Kriegsgefangenenlager Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock war von 1941 bis 1945 mit über 300.000 Menschen zentraler Bestandteil eines Lagersystems für überwiegend sowjetische Kriegsgefangene, das unter anderem das Ruhrgebiet mit Arbeitskräften versorgte. In der heutigen Gedenkstätte hat der Förderverein „Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne e.V.“ 1996 mit Unterstützung von Kommune, Kreis und Land eine Dauerausstellung zur Geschichte des Stalag in der ehemaligen Arrestbaracke auf dem historischen Gelände eingerichtet. Am 8. Mai 2015 forderte Bundespräsident Joachim Gauck auf dem Ehrenfriedhof in Schloß Holte-Stukenbrock, die sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem „Erinnerungsschatten“ zu holen. 

Von NRW-Landtagspräsident André Kuper wurde ein Lenkungskreis aus Politik und Initiativen eingerichtet mit dem Ziel, die Gedenkstätte Stalag 326 zu einem Gedenkort von nationaler und internationaler Bedeutung zu entwickeln. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) wurde mit der Umsetzung beauftragt. Geplant ist ein Neubau, in dem unter anderem Ausstellungs- und Veranstaltungsräume, das Magazin sowie eine Bibliothek untergebracht sein sollen. 

Martin Zehren, wsp

Lesen Sie mehr zum Kriegsgefangenenlager Stalag 326 im Westfalenspiegel 1/2020 und hier.

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