Die erste Einrichtung der Forschungsfertigung Batteriezelle wurde eröffnet: Der „FFB Workspace“ im AlexProWerk in Münster. Foto: FFB Workspace/Studio Wiegel
19.10.2021

„Es gibt noch viele Fragen zu beantworten“

Die Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) hat ihre erste Anlage – den FFB Workspace im AlexProWerk – in Münster in Betrieb genommen. Über den Stand der Entwicklung an der 680 Millionen Euro schweren Forschungseinrichtung spricht der Leiter der FFB, Prof. Dr. Jens Tübke.

Herr Tübke, wie ist der aktuelle Stand beim Aufbau der Forschungsfertigung Batteriezelle?
Noch sind wir relativ am Anfang des Aufbauprozesses: Die Gebäude stehen noch nicht, wir generieren weitere Kooperationspartner, auch der Aufbau des eigenen Personals ist noch längst nicht abgeschlossen. Unser Ziel ist es, mit etwa 150 Mitarbeitenden Forschung zu betreiben. Aktuell sind etwa ein Drittel davon schon an Bord. Wir brauchen Experten, die sich in der Zellfertigung sehr gut auskennen. Diese werden heute nicht mit dieser Spezialisierung ausgebildet. Es gibt viele hoch qualifizierte Ingenieure, aber Zellfertigung haben die alle noch nicht betrieben.

Wann kann die Forschung durchstarten?
Wir wollen in drei bis vier Jahren erste Anlagenteile in den Bau einbringen. Dann wird es sicher noch einmal eineinhalb bis zwei Jahre bis zum Regelbetrieb dauern. Dabei ist zu beachten, dass wir keine klassische Zellfertigung bauen, sondern eine möglichst flexible Forschungseinrichtung. Wir wollen ja auch auf aktuelle Trends reagieren. Zudem werden wir während des Aufbaus sicher einiges lernen. Das erste Forschungsprojekt ist also sicher schon der Bau der Fabrik selbst.

Prof. Jens Tübke Foto: FFB

Prof. Jens Tübke Foto: © Fraunhofer ICT

680 Millionen Euro Fördermittel fließen in die Forschungsfertigung Batteriezelle – eine große Hypothek.
Das stimmt. Der Ansatz der Forschungsfertigung ist vollkommen neu. Das bietet Chancen, aber es birgt auch Risiken. Dauerhaft muss die Forschung bezahlt werden. Das Projekt wird sich selbst tragen müssen. Deshalb wird es wichtig sein, dass auch die Industrie das Angebot der Forschungsfertigung Batteriezelle wirklich nutzt. Und zwar die gesamte Palette: Von der Entwicklung der Anlagentechnik, über die Erprobung der Anlagentechnik, auch Messtechniken werden eine Rolle spielen. Wir wollen Fragen zur Fabrikplanung beantworten aber auch dazu, was geschieht mit den Zellen, die im Rahmen einer solchen Kampagne produziert werden.

Unternehmen wie Volkswagen forschen selbst an der Produktion von Batteriezellen, kommt die FFB zu spät?
Ich würde eher sagen, sie kommt zur richtigen Zeit. Um eine solche Forschungseinrichtung zu etablieren, benötigt man Industriepartner, die in diesem Bereich schon tätig sind oder tätig werden wollen. Und es braucht die politischen Rahmenbedingungen, die alle davon überzeugen, dass es wichtig ist in Batteriezellenforschung einzusteigen. Das ist aktuell der Fall. Und noch etwas: Umso mehr Elektrofahrzeuge wir im Markt sehen und je mehr das Thema Klimawandel präsent ist, desto wichtiger wird die Forschungsfertigung Batteriezelle werden.

Die erste Anlage hat ihre Arbeit aufgenommen. Was erforschen Sie dort?
Gemeinsam mit dem MEET Batterieforschungszentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster haben wir im „FFB Workspace“ eine Misch- und Beschichtungsanlage zur Erprobung der Elektrodenfertigung in Betrieb genommen. Ziel ist die Weiterentwicklung des vollkontinuierlichen Mischverfahrens in Bezug auf das Elektrodenmaterial, die Prozesse sowie die Digitalisierung. Wir wollen die Produktion von Batteriezellen effizienter gestalten.

Blick in den „FFB Workspace“ in Münster. Hier werden zwei Ausgangsstoffe für die Folien einer Batteriezelle miteinander vermischt. FFB Workspace/Studio Wiegel

Blick in den „FFB Workspace“ in Münster. Hier werden zwei Ausgangsstoffe für die Folien einer Batteriezelle miteinander vermischt. FFB Workspace/Studio Wiegel

Spielen dabei auch neue Rohstoffe für Batterien eine Rolle?
Zunächst fokussieren wir auf die Fertigung. Das ist auch unser industriepolitischer Auftrag, schließlich sind wir eine Forschungsfertigung Batteriezelle. Aber wenn es zum Beispiel neue günstigere oder umweltfreundlichere Materialien für die Batteriezelle gibt, dann stellt sich für uns ja die Frage, wie wir das in der Fertigung umsetzen. Viele Dinge in der Entwicklung der Zellen haben schließlich auch unmittelbare verfahrens- und fertigungstechnische Auswirkungen. Zum Beispiel auch, wenn es um die Frage nach der Packungsdichte innerhalb der Zellen geht.

Die Aufgaben werden Ihnen nicht ausgehen?
Das Thema Batterieforschung wird jedenfalls in den nächsten Jahrzehnten aktuell bleiben. Da gibt es keinen Zweifel: Mobile und stationäre Energiespeicher werden wir in Zukunft noch viel stärker benötigen als heute. Es gibt in diesem Bereich noch viele Fragen zu beantworten: Wie reduzieren wir den CO2-Fußbabdruck in der Batterieproduktion? Was kann schon in der Produktion getan werden, um das spätere Recycling der Zellen zu erleichtern? Welche Materialien können alternativ wie eingesetzt werden? Das alles sind wichtige Fragen, zu denen wir Lösungen finden müssen. Das wird nicht in fünf Jahren passieren, dafür benötigen wir einen langen Atem. Die Forschungsfertigung Batteriezelle wird dazu ihren Beitrag leisten, da bin ich mir sicher.

Interview: Jürgen Bröker

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