Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Foto: Foto: EKvW / Barbara Frommann
31.08.2022

„Starke Schultern müssen mehr tragen“

Die westfälische Präses Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat in Münster über Krieg und Krise gesprochen. Sie forderte Entlastungen für Menschen mit kleinen Einkommen.

„Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seinem Leben?“ – dieses Wort Jesu (Matthäus 16,26) stellte Kurschus in den Mittelpunkt ihres Vortrags im Plenarsaal des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster. Veranstalter war der Verein Westfalen e.V.

Militärische Gewalt als ultima ratio

Christliche Ethik sei nicht dazu da, den Menschen das Denken abzunehmen und ihnen die Antworten in den Mund zu legen, so die Präses in ihrem Vortrag. „Sie ist dazu da, ihnen Orientierung fürs eigenständige Denken zu geben, und ihnen zu helfen, ihre eigenen Meinungen zu bilden.“ Sie weigere sich aber, „die komplizierte Wirklichkeit simpel zu machen.“ So sehe sie in militärischer Gewalt, wie aktuell im Ukraine-Konflikt, die ultima ratio, um tödliche Bedrohung abzuwehren und drohender Tyrannei Einhalt zu gebieten. Dennoch könne und werde sie nie sagen, dass sie Krieg und Waffenlieferungen gutheiße oder begrüße. Zudem gelte: „Verteidigung und Nothilfe – darin gibt es allerdings kein Vertun – sind aus Sicht unseres Glaubens strikt an die Aufgabe gebunden, für Recht und Frieden zu sorgen“, sagte Kurschus vor rund 100 Gästen, darunter auch NRW-Landtagspräsident André Kuper.

Zielgenaues und wirksames Entlastungspaket gefordert

Unternehmer Jürgen Henke, Präses Annette Kurschus und Westfalen e.V.-Vorsitzender Manfred Müller im LWL-Plenarsaal in Münster. Foto: Westfalen e.V.

Unternehmer Jürgen Henke, Präses Annette Kurschus und Westfalen e.V.-Vorsitzender Manfred Müller im LWL-Plenarsaal in Münster. Foto: Westfalen e.V.

Die EKD-Ratsvorsitzende forderte eine Entlastung für alle Menschen, die besonders unter den Folgen von Inflation und stark steigenden Energiekosten leiden. „Damit die Menschen in unserem Land zusammenhalten und die Demokratie lebendig bleibt, kommt es jetzt darauf an, diejenigen in den Blick zu nehmen, die ein geringes bis durchschnittliches Einkommen haben“, so Kurschus. Sie sieht eine Mitverantwortung von Menschen mit größerem Einkommen und Vermögen. „Starke Schultern können und müssen mehr tragen. Das ist ein zentraler Grundsatz unseres Glaubens und auch der sozialen Marktwirtschaft.“ Notwendig sei ein zielgenaues und wirksames Entlastungspaket für die betroffenen Menschen in Deutschland. „Die Maßnahmen müssen jetzt politisch umgesetzt und gegenfinanziert werden von denen, die das leisten können und womöglich sogar von den diversen Krisen profitieren“, appellierte die Präses und Ratsvorsitzenden an Verantwortungtragende in der Politik.

Hintergrund der Veranstaltung ist der Westfälische Friede, der den Abschluss des Dreißigjährigen Krieges bedeutete und sich im kommenden Jahr zum 375. Mal jährt. Die EKD-Vorsitzende ging auch auf die Bedeutung des historischen Ereignisses für Europa ein. „Mit dem Verzicht auf eine Vormachtstellung ließe sich Frieden gewinnen“, plädierte die Theologin für eine Strategie der kleinen Schritte: „Scheinbar kleine Anfänge“ – wie seinerzeit die Entmilitarisierung der Verhandlungsorte Münster und Osnabrück – könnten Großes bewirken.

wsp

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