Potentiale des Nachbergbaus: Im Zuge der Energiewende kann die Kohleindustrie etliche Beiträge zur Umstellung auf Erneuerbare Energien liefern. Foto: Volker Wiciok/THGA
12.04.2021

Strukturwandel bleibt Herausforderung

Der Strukturwandel in den deutschen Stein- und Braunkohlegebieten steht nach wie vor vor großen Herausforderungen. Ein Indikator ist die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit.

„Die Arbeitslosenquoten in den Kohlerevieren sind seit vielen Jahren zum Teil deutlich höher als im Bundesdurchschnitt”, sagt Prof. Dr. Kai van de Loo vom Forschungszentrum Nachbergbau der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum. Im Ruhrgebiet liege sie inzwischen schon wieder über zehn Prozent und seit langem rund vier Prozentpunkte über der Bundesquote. In Westfalen bilde lediglich das ehemalige Revier in Ibbenbüren eine Ausnahme. Dort liegt die Arbeitslosenquote deutlich niedriger.

Besonders problematisch für die betroffenen Regionen ist in den Augen des Wissenschaftlers, dass sowohl die Gewinnung als auch die Hauptnutzung von Kohle, die Verstromung, beendet wird. Das bedeute regionalökonomisch, dass allen Kohleregionen ihr industrieller Kern mit dem Kohle-Cluster vollständig stillgelegt werde.

Anreize für private Investoren fehlen noch

Um die negativen Auswirkungen aufzufangen, stellt die Bundesregierung bis 2038 rund 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Geld werde vor allem für recht umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen im weiteren Sinne eingesetzt, sagt der Bochumer Forscher. „Das ist meines Erachtens richtig und wichtig und schafft ganz wesentliche Voraussetzungen für einen langfristig erfolgreichen Strukturwandel”, sagt van de Loo. Aber es brauche auch umfängliche Anreize für private Investitionen, um dort neue Wertschöpfung und Beschäftigung zu generieren.

Prof. Dr. Kai van de Loo erforscht die wirtschaftspolitischen Aspekte der Nachbergbauzeit. Foto: Volker Wiciok/THGA

Prof. Dr. Kai van de Loo erforscht die wirtschaftspolitischen Aspekte der Nachbergbauzeit. Foto: Volker Wiciok/THGA

Das wird nicht immer auf den alten Flächen geschehen. Stillgelegte Bergwerke und deren Infrastruktur, wenn sie überhaupt neu genutzt werden, werden weltweit vorwiegend kultur- oder naturnahen neuen Verwendungen zugeführt. „Das schafft meist wenig neue Wertschöpfung und Beschäftigung. Daher benötigen ehemalige Bergbaustandorte gezielte und ausdauernde Unterstützung”, so van de Loo weiter.

Kohleindustrie kann selbst etwas zum Strukturwandel beitragen

Aber die Kohleindustrie könne auch selbst einiges zum Strukturwandel beitragen, indem sie ihr Know-how und ihre nachhaltigen wirtschaftlichen Potenziale in den Prozess einbringe. „Wo immer es möglich ist, sollten Wertschöpfungsketten erhalten bleiben – gerade im Interesse der Regionen und der Arbeitsplätze”, erklärt der Forscher. So könne die Kohleindustrie etwa im Zuge der Energiewende etliche Beiträge liefern zur Umstellung auf andere Energieträger, insbesondere erneuerbare Energien einschließlich Geothermie, Nutzung von Grubengas, Strom- und Wärmespeicherung. Ebenso gebe es starke Anknüpfungspunkte zu Themen wie Wasserstoffproduktion, CO2-Recycling, E-Fuels, Abfallverwertung, Kreislaufwirtschaft und diversen anderen Umwelttechnologien. „Das alles lässt sich entwickeln, wenn es dafür genügend Zeit und Mittel gibt”, so van de Lob.

Dazu sollte auch die von der Landesregierung NRW 2018 angestoßene Ruhrkonferenz ihren Beitrag leisten. Die vereinbarten Projekte sollten das Ruhrgebiet wieder zu einer wirtschaftlich starken „Chancenregion“, machen. Allerdings hätten diesen bisher kaum erkennbare Impulse für mehr Beschäftigung in der Region gegeben hat und seien nach expliziter Einschätzung der Industrie- und Handelskammern des Ruhrgebiets vorerst „blass“ geblieben, schreibt van de Lob in einem gemeinsamen Artikel mit Julia Tiganj vom Forschungszentrum Nachbergbau, der im aktuellen „Mining Report Glückauf“ nachzulesen ist.

wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin