Talentprobe
Das Consol Theater in Gelsenkirchen hat sich mit Inszenierungen und mit sozialem Engagement einen Namen gemacht. Das Projekt „!Stage“ unterstützt Jugendliche auf dem Weg in eine Ausbildung.
Die Zeche Consolidation war einmal der Motor von Gelsenkirchen. Seit den 1860er Jahren erlebte das Steinkohlenbergwerk in der „Stadt der 1000 Feuer“ einen sagenhaften Aufstieg und zählte zu den förderstärksten im Ruhrgebiet. Unzählige Menschen fanden „auf Consol“ Arbeit, bis die Zeche 1993 endgültig stillgelegt wurde. Das markante Fördergerüst ist heute eine Art Wahrzeichen des Consol Theaters, das seit mehr als 20 Jahren seinen Sitz in der umgebauten Maschinenhalle hat. Das Haus unter Leitung von Christiane Freudig, Andrea Kramer und Georg Kentrup hat sich mit seiner künstlerischen Arbeit einen Namen gemacht. Es wurde vielfach ausgezeichnet und renommierte Dramatiker wie Roland Schimmelpfennig und Sibylle Berg haben Stücke für die Bühne geschrieben. Gleichzeitig versteht sich das Consol Theater, gelegen im Stadtteil Bismarck, als Begegnungsstätte für unterschiedliche Generationen, Sprachen und kulturelle Hintergründe. „Wir greifen die Lebenswelten von jungen Menschen auf und verarbeiten diese Eindrücke mit professionellen Mitteln in künstlerischen Projekten“, sagt Dramaturg Kentrup.
Das Consol Theater hat sich mit dieser Idee bei der zwölften Westfälischen Kulturkonferenz vorgestellt. „Die Macht der Veränderung“ lautete der Titel der Veranstaltung, bei der jährlich zahlreiche Kulturakteure aus der Region zusammentreffen. Sie diskutieren darüber, welche Herausforderungen Museen, Theater oder auch Verwaltungen zu bewältigen haben, um in einer sich wandelnden Gesellschaft ihre Bedeutung zu behalten. Im Mittelpunkt der Präsentation der Gelsenkirchener Bühne stand das Projekt !Stage, das Anfang der 2000er Jahre dort entwickelt wurde. Die Grundidee: Junge Menschen, die zwischen Schule und Berufsausbildung stehen, entwickeln innerhalb von zwölf Monaten eine Theaterinszenierung, die sie schließlich vor Publikum präsentieren.
„Theaterarbeit fördert die Persönlichkeit“
Von der Findung eines Themas für die Aufführung über das Schneidern von Kostümen bis hin zur Gestaltung der Plakate müssen die 18- bis 25-Jährigen alles selbst stemmen. Es gehe in dem Projekt nicht darum, zukünftige Schauspieler, Regisseure oder Bühnenbildner auszubilden, betont Kentrup und sagt: „Die Absolventen gehen im Anschluss in ganz unterschiedliche Ausbildungen, vom Gartenbau über die Pflege bis zum Studium.“ Entscheidend sei für viele der jungen Menschen, im Rahmen des Vollzeitprogramms eine Idee für ihre berufliche Zukunft zu entwickeln, denn das falle vielen schwer. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben bereits Misserfolge in der Schule und Ausbildungsabbrüche hinter sich oder sind schlicht planlos. Im Consol Theater dürfen sie unter Anleitung von Bühnenprofis und betreut von Sozialpädagogen ihre Talente erproben. Sie lernen aber auch, sich anzustrengen, Schüchternheit zu überwinden und Konflikte auszutragen ohne wegzulaufen. „Theaterarbeit fördert die Persönlichkeit“, bringt !Stage-Leiterin Ulrike Brockerhoff die Idee auf den Punkt.
Mit diesem Projekt, das von der Agentur für Arbeit in Gelsenkirchen gefördert wird, ist das Consol Theater weitgehend einzigartig. Der Erfolg zeige sich in einer niedrigen Abbrecherquote, aber auch in den Abschlussinszenierungen, die weit über den Teilnehmerkreis hinaus ein Publikum finden, berichten die Macher. „!Stage ist ein künstlerisches Projekt mit sozialen Bestandteilen, nicht umgekehrt“, stellen Kentrup und Brockerhoff entschieden fest.
Das Projekt „!Stage“ wurde bei der zwölften Westfälischen Kulturkonferenz präsentiert. Lesen Sie hier mehr über die Konferenz zum Thema „Die Macht der Veränderung“.
Annette Kiehl, wsp
Dieser Artikel ist im WESTFALENSPIEGEL 05/2023 erschienen.