13.09.2011

Tourismus in Westfalen: Vom Kurort zum Wellnessresort – Heilbäder erfinden sich neu

Westfalen (wh). Die Landesgartenschau 2017 ist die große Chance für Bad Lippspringe: Denn das Heilbad am Teutoburger Wald leidet heute noch unter den Gesundheitsreformen der 1990er Jahre. Durch die Gartenschau will sich der Ort als Ziel für Erholungssuchende und Aktivurlauber neu erfinden. Nur wenige Kilometer entfernt hat der Gräfliche Park in Bad Driburg diesen Wandel schon vor einigen Jahren vollzogen: vom Kurbad zum Wellnessresort.
Morgens Fango, abends Tango. Von diesem Motto profitierten die westfälischen Heilbäder bis in die 1990er Jahre. Die Gäste waren spendierfreudig und die Orte lebten gut davon und wuchsen. "Der Einbruch kam 1996 mit der Gesundheitsreform", sagt Markus Schmidt vom Bauamt in Bad Lippspringe. Ausschlaggebend für die Krise war die Streichung des Kurbegriffs aus dem Sozialgesetzbuch. Die Krankenkassen finanzieren seitdem nur noch Reha- und Vorsorgemaßnahmen sowie Anschluss-Heilbehandlungen, zum Beispiel nach Operationen. Zudem werden generell weniger Maßnahmen genehmigt und viele Patienten nehmen diese im Ausland in Anspruch, beobachtet der Deutsche Heilbäderverband.
In Bad Lippspringe gibt es zwar noch einige Reha-Kliniken, doch die Patienten werden voll verpflegt und sind nach schweren Erkrankungen oft zu schwach für Ausflüge. "Wir wollten schon einen neuen Klientenkreis ansprechen, aber das hat nicht so geklappt. Durch die hohen Unterhaltskosten für die Kliniken hatten wir zum Beispiel nicht genügend Geld für die Erneuerung des Kurparks", erzählt Schmidt.
Mit dem Zuschlag für die Landesgartenschau erhält die Stadt nun fünf Millionen Euro vom NRW-Umweltministerium plus weitere Fördermittel. Damit soll zum Beispiel der Kurwald als zentraler Bestandteil des Geländes barrierefrei gestaltet werden. Die Verwaltung rechnet für 2017 mit rund 400.000 Besuchern und einer großen Werbewirkung. "Ich glaube, dass Bad Lippspringe es verdient hat und es auch nötig hat", kommentierte Bürgermeister Andreas Bee die Entscheidung der Jury am 1. Juni.
Nur einige Kilometer entfernt hat der Gräfliche Park in Bad Driburg den Wandel bereits vor einigen Jahren vollzogen. Bis 1996 herrschte auch in Deutschlands einzigem Heilbad in Privatbesitz "die Planwirtschaft", sagt Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff und erklärt: "Die Krankenkassen hatten 80 Prozent der Zimmer fest gebucht und in den Badehäusern wurden die Kurgäste im Zehn-Minuten-Takt behandelt." Mit der Gesundheitsreform stand die Inhaberfamilie vor der Frage, die Hotel- und Kuranlagen zu schließen oder neu aufzustellen.
Mehrere Geschäftsbereiche von Rehakliniken bis zur Mineralwasserquelle umfasst die Unternehmensgruppe Graf von Oeynhausen-Sierstorpff heute. Das Aushängeschild ist das "Gräfliche Park Hotel & Spa" mit 135 Zimmern, edlem Wellness-Bereich und Tagungsräumen. Mehr als 20 Millionen Euro hat die Familie investiert. "Wir müssen uns von anderen Anbietern unterscheiden und konzentrieren uns deshalb auf unsere fast 230-jährige Tradition mit unserer Kernkompetenz Gesundheit durch Wasser und Entschleunigung sowie auf ein nachhaltiges Angebot mit regionalen Produkten vom Honig bis zum Moorbad", beschreibt Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff.
Im Wettbewerb um den Selbstzahler bietet der Gräfliche Park unter anderem Gourmet-Arrangements, Detoxkuren und ein "Burnout-Präventionsprogramm". Veranstaltungen mit einer Star-Yogalehrerin, Gartenexperten, Künstlern oder Sternekoch Dieter Müller locken regelmäßig neue Gäste an den Teutoburger Wald. Bei durchschnittlich 1,9 Übernachtungen verbringen sie ihren Aufenthalt meist ausschließlich innerhalb des 64 Hektar großen, mehrfach ausgezeichneten Landschaftsparks, so die Erfahrung der Gräfin. "Der Gast erwartet ein Maximum an Erholungswert. Was früher die dreiwöchige Kur war, ist heute ein Wellness-Wochenende."

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