Bettina Hueske bloggt als "Bäuerin Bettina" auf Instagram über Agrarthemen. Foto: privat
10.12.2020

Traumjob trotz Krise

2020 war für die Landwirte ein schwieriges Jahr. Die Preise für ihre Produkte sind im Keller und die Wut ist groß. Die Landwirtin Bettina Hueske aus Südlohn ist über die Situation frustriert – und liebt trotzdem ihren Job. 

Seit einigen Tagen machen die Landwirte ihrem Ärger Luft. Mehrfach haben sie die Lager großer Lebensmittelketten blockiert. Sie fordern faire Preise für ihre Produkte. „Die Landwirte sorgen sich zunehmend um ihre Existenz“, so ein Sprecher des Westfälischen-Lippischen Landwirtschaftsverbands auf Anfrage des WESTFALENSPIEGEL. Die Krise trifft vor allem die Betriebe mit Tierhaltung. Die Corona-Pandemie und die Afrikanische Schweinepest haben zu einem Überangebot gerade beim Schweinefleisch geführt. Die Schweinepreise sind daher im Keller.

Die Vergütung für Milch fällt seit einigen Jahren ebenfalls sehr knapp aus. „Es gibt viele Landwirte, die inzwischen in einer finanziellen Krise stecken“, sagt Bettina Hueske. Sie ist selbst Landwirtin, betreibt gemeinsam mit ihren Eltern einen Milchviehbetrieb in Südlohn im Kreis Borken. Hueske ist außerdem Agrar-Bloggerin. Als „Bäuerin Bettina“ postet die 28-Jährige auf Instagram Bilder aus ihrem Arbeitsalltag. Mehr als 13.000 Menschen folgen ihr dort.

Ausgaben für Futter fast verdoppelt

Sie kann den Protest der Kollegen gut verstehen: „Viele Landwirte aus meiner jungen Generation stehen aktuell vor der Frage, wie geht es weiter? Geht es überhaupt weiter?“ Auch für ihren Hof in Südlohn werde es seit drei Jahren immer kritischer. „2020 war das dritte Dürrejahr in Folge, daher mussten wir erneut mehr Futter für unsere Kühe zukaufen. Das hat unsere Ausgaben allein für Futter fast verdoppelt“, sagt sie. Die Vergütung für Milch wurde aber nicht angepasst. 

Schweine sind von Natur aus neugierig. Wie kann eine tiergerechte und gleichzeitig wirtschaftliche Haltung der Tiere gelingen? Foto: Bröker

Die Preise für Schweinefleisch sind im Keller.  Foto: Bröker

Aktuell zahlen die Molkereien 34,5 Cent brutto je Liter. „Um die Kosten für die Produktion zu decken, müssten es aber mindestens 38 Cent sein“, erklärt sie. Damit neben der Kostenabdeckung auch noch ein angemessener Lohn für die Arbeit übrigbleibt, müssten die Molkereien mindestens 45 Cent zahlen.

Schweine stauen sich in Ställen

Bei den Schweinehaltern sieht die Lage häufig noch finsterer aus. Seit Beginn der Coronakrise sanken die Preise für Schweinefleisch um teilweise mehr als 50 Prozent, so der WLV-Sprecher. Grund ist zum einen die Coronakrise. Hohe Fallzahlen führten zu wochenlangen Schließungen großer Schlachtbetriebe wie Tönnies. Hinzu kam das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland. Dadurch sei vor allem der asiatische Markt als wichtige Exportregion für deutsches Schweinefleisch weggebrochen.

In den Ställen der Schweinezüchter stauen sich nun die Tiere. Bundesweit sind mehr als 650.000 Schweine längst schlachtreif, können aber wegen der aktuellen Überkapazitäten nicht geschlachtet werden. Schwierig sei zudem, dass vielen Landwirten die Perspektive fehle. Niemand könne sagen, wie lange die Pandemie noch für Einschränkungen des öffentlichen Lebens sorgen werde, sagt der WLV-Sprecher. Immerhin: Die Lebensmittelkette Lidl und Aldi hatten zuletzt ihre Bereitschaft zu Gesprächen signalisiert.  „Wir begrüßen das Angebot von Aldi, sich mit uns an einen Tisch zu setzen, um über ,die Förderung der deutschen Landwirtschaft durch flächendeckende, angemessene Bezahlung bei höheren Qualitätsstandards‘ zu sprechen. Dies ist in der Tat überfällig und wurde vom deutschen Lebensmitteleinzelhandel bisher nie für notwendig erachtet“, so WLV-Präsident Hubertus Beringmeier.

„Das ist bedrückend“

Für Bettina Hueske gibt es neben den niedrigen Milchpreisen noch ein weiteres Problem. „Das Fleisch der männlichen Kälber geht normalerweise in die Gastronomie. Diese hat aber geschlossen. Vor Corona haben wir für ein männliches Kalb, welches wir in die Kälber- oder Bullenmast verkaufen, teilweise mehr als 100 Euro bekommen. Jetzt müssen wir es für 0 bis 40 Euro abgeben“, sagt sie. Dass ein lebendiges Wesen keinen Wert hat, fällt ihr schwer zu akzeptieren. „Das ist bedrückend und widerspricht meiner Einstellung zu den Tieren und dem, was ich in meiner sechsjährigen Ausbildung gelernt habe“, so Hueske.

Erst vor fünf Jahren hat sie auf ihrem Hof in mehr Tierwohl investiert. Der Stall wurde entsprechend ausgebaut. Sie würde auch noch mehr investieren, doch müsste dieser Mehraufwand auch bezahlt werden. Und das ist derzeit nicht in Sicht.

Über ihren Instagram-Account zeigt „Bäuerin Bettina“, wie ihr Hof funktioniert. Dabei beschönigt sie nichts. Dafür gibt es von ihren Followern Lob, aber auch vereinzelt Kritik. Auf den Bildern und in den kurzen Filmen sieht man sehr deutlich, dass sie ihren Job mit Leidenschaft ausübt. „Natürlich sind die Zeiten gerade schwer, aber wenn ich bei meinen Kühen im Stall bin, ist das alles vergessen“, sagt Hueske. Landwirtin sei ihr Traumjob, daran habe auch die aktuelle Krise nichts verändert.

Jürgen Bröker, wsp

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