Udo Lindenberg - hier auf einem Kunstwerk verewigt – feierte 2023 seine größten Single-Erfolge. Foto: Pixabay
17.05.2021

Udo macht sein Ding

Udo Lindenberg wird 75 Jahre. Im Interview mit dem Soziologen Prof. Frank Hillebrandt von der Fernuniversität Hagen geht der WESTFALENSPIEGEL dem „Phänomen Udo“ auf den Grund.

Herr Hillebrandt, sind Sie ein Udo-Fan?
Udo gehört zu meinem Leben dazu. Das auf jeden Fall. Er begleitet mich schon lange. Aber ich bin jetzt nicht der große Fan, der ihm überallhin folgen würde. Ich bin mit ihm aufgewachsen. Als ich zwölf oder 13 Jahre alt war, hat mein älterer Bruder die Platten von Udo rauf und runter gehört. Da ist auch bei mir viel hängen geblieben, gerade die alten Sachen finde ich immer noch gut. „Andrea Doria“ ist zum Beispiel ein richtig guter Song.

Begleitet Udo Lindenberg Sie auch bei Ihrer wissenschaftlichen Arbeit?
Ja natürlich. Er gehört zur Soziologie des Rock und Pop. Und dazu forsche ich intensiv. Als deutschsprachiger Rocker nimmt Udo in Deutschland eine ganz besondere Rolle ein, weil er damit als Erster große Erfolge gehabt hat. Und hinzu kommt noch die Kultfigur, zu der er ja ohne jeden Zweifel geworden ist. Schließlich gibt es kaum jemanden in Deutschland, der Udo Lindenberg nicht kennt. Da stellt sich natürlich die Frage, wie schafft jemand das?

Mit dem Sonderzug nach Pankow schrieb Lindenberg Zeitgeschichte. Foto: Pixabay

Mit dem Sonderzug nach Pankow schrieb Lindenberg Zeitgeschichte. Foto: Pixabay

Sagen Sie es uns.
Da ist in erster Linie seine Musik. Udo hat die Beatmusik, wie man in den 1960er Jahren noch gesagt hat, aufgegriffen und daraus etwas eigenes gemacht. Anfangs ist er ja als Jazzmusiker durch die Kneipen getingelt und irgendwann hat er dann sein eigenes Ding gemacht, wie er das in einem Lied auch mal gesungen hat. Udo Lindenberg ist aber eben auch eine Figur. Zu ihm gehört die ganze Inszenierung mit Hut, Zigarre und Eierlikör.

War schon früh damit zu rechnen, dass Lindenberg eine solche Karriere hinlegt?
Bei Udo hat man eigentlich immer das Gefühl gehabt: Wie kann es sein, dass er mit dem, was er macht, so viel Geld verdient. Aber genau das ist es. Udo hat es immer anders gemacht als alle anderen, er verstieß gegen jede Konvention und wurde trotzdem damit zur Kultfigur. Er hat sogar Zeitgeschichte geschrieben. Etwa mit seinem Sonderzug nach Pankow.

Wie besonders war denn sein erstes deutschsprachiges Album, das es 1974 in die Charts geschafft hat?
Bis dahin gab es in deutscher Sprache nur Schlagermusik. Das ist das Besondere an Lindenberg. Er macht Rockmusik mit harten Gitarrenriffs, gleichzeitig aber auch mit etwas Dixieland und dann kommt der deutsche Text. Und das sind Texte mit Aussage, nicht weil man etwas singen muss. Das könnte man eher über die Songs von Elvis Presley sagen, deren Texte meist etwas bescheidener sind. Bei Udo Lindenberg sind die Texte auch immer Artikulationen, die etwas aussagen sollen. Seine Textzeilen haben Inhalt. Und die prägen sich ein. Ein Beispiel ist: „Nimm dir dein Leben und lass es nicht mehr los“, mit dem er an seinen älteren verstorbenen Bruder erinnert. Da bringt er sich auch persönlich ein. Das macht ihn und seine Lieder aus.

Also spielt auch Authentizität eine Rolle?
Ganz sicher. Man nimmt ihm seine Texte ab. Udo schreibt seine Songs nicht nur, um Kohle zu verdienen oder berühmt sein zu wollen. Deshalb gönnt man ihm vielleicht auch den Erfolg und nimmt es ihm nicht krumm, dass er einen alten Porsche fährt.

Prof. Dr. Frank Hillebrandt. Foto: Volker Wiciok

Prof. Dr. Frank Hillebrandt. Foto: Volker Wiciok

Wer hört seine Musik?
Ich war vor fünf Jahren selbst auf einem seiner Konzerte. Da waren in der großen Mehrzahl die einfachen, im Sinne von nicht so auffälligen Leute. Das meine ich nicht negativ. Da sind Menschen, die hart für ihr Geld arbeiten, denen nichts geschenkt wird – im Grunde genommen wie es bei Udo Lindenberg war. Auch ihm wurde nichts geschenkt.

Für seine Fans ist er schon heute eine Legende. Zurecht?
Auf jeden Fall. Seine Lieder sind uns allen bekannt. Man kann die Melodien mitpfeifen oder sogar Textpassagen mitsingen. Er hat sich durch Krisen gekämpft, war wegen seiner Suchtprobleme schon mal fast weg vom Fenster und hat sich da aber wieder heraus gekämpft. Außerdem war er über Jahrzehnte erfolgreich. Und dann ist da seine Grundbotschaft, dass sich alle mal locker machen sollen. Wenn das nicht legendär ist, was dann?

Interview: Jürgen Bröker

Pünktlich zum 75. Geburtstag von Udo Lindenberg ist ein neues Buch erschienen, das ein Schlaglicht auf die Gronauer Jahre des Deutschrockers wirft. Mehr zum Buch erfahren Sie hier: Wahre Fundgrube

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