Haben die Nachfolge geregelt: Oebele Kootstra (r.) und sein Sohn Julius Gräler. Foto: Bröker/wsp
09.02.2022

„Nachfolge funktioniert nicht von selbst“

Im Interview spricht Professor Tom Rüsen vom Wittener Institut für Familienunternehmen über die Schwierigkeit für Unternehmer einen Nachfolger zu finden und warum das gesellschaftliche Bild vom Unternehmertum damit zu tun hat.

Warum ist es für Unternehmen so schwierig, Nachfolger zu finden?
Zunächst müssen wir zwei Arten der Nachfolge unterscheiden. Auf der einen Seite die familieninterne Lösung, wenn also zum Beispiel die Kinder in die Fußstapfen der Elterngeneration treten. Und auf der anderen Seite die externe Nachfolgerregelung.

Sehen wir uns zunächst die familieninterne Lösung an.
Da beobachten wir, dass die Bereitschaft der Kinder nachlässt, in die Unternehmensnachfolge bei den Eltern einzutreten. Früher war es normal, dass man den elterlichen Betrieb übernommen hat. Meistens wurde das vor allem von den Söhnen sogar verlangt. Das ist ein historisches Relikt aus einer Zeit der Ständegesellschaft, in der ganz klar war, dass der Erstgeborene die Aufgabe und Rolle des Vaters übernimmt. Die Bereitschaft, die Nachfolge unhinterfragt anzutreten, ist heute schlicht nicht mehr vorhanden.

Woran liegt das?
Ein ganz wesentlicher Punkt ist sicherlich, dass die junge Generation lieber selbstbestimmt durchs Leben geht. Man möchte sein „eigenes Ding“ machen und nicht etwas fortführen, dass die Eltern auf den Weg gebracht haben. Die Kinder haben zudem ja erlebt, was es bedeutet, Unternehmer zu sein. Je nachdem, wie attraktiv das für die Kinder aussah, werden sie sich für oder gegen eine Nachfolge entscheiden.

Wie sieht es aus, wenn Unternehmer eine externe Lösung suchen?
Das ist genau eine Möglichkeit, die oben genannten Probleme zu lösen. Man versucht, fähige Manager zu bekommen, die zumindest die Geschäftsführer-Funktion übernehmen. Bei sehr kleinen Betrieben wird es aber sicher um einen Verkauf gehen. Hier kann man auch darauf setzen, dass ein langjähriger Mitarbeiter, das Unternehmen weiterführt.

Welche Wege gibt es noch, einen Nachfolger zu finden?
Darin liegt wirklich eine große Herausforderung. Denn es ist sehr schwer, jemanden zu finden, der ähnliche Werte vertritt, wie der aktuelle Inhaber. Es geht ja meistens um sein Lebenswerk, das er in guten Händen sehen will. Selbst wenn es jemanden gibt, stellt sich die schwierige Frage: Wie finden die beiden zueinander. Da gibt es verschiede Initiativen etwa von den Industrie- und Handelskammern oder den Handwerkskammern.

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In zahlreichen Unternehmen funktioniert das ja auch.
Ja, das ist richtig. Aber Nachfolge funktioniert nicht von selbst. Ganz gleich, ob die Tochter oder der Sohn einsteigen möchte, oder ein externer Kandidat das Unternehmen kaufen möchte. Man muss sich gut darauf vorbereiten und zum Beispiel gemeinsam einen Nachfolgeplan erarbeiten. Dafür sollte man sich Zeit nehmen, denn es ist aufwändiger Prozess und es müssen einige Hürde übersprungen werden.

Was macht einen geeigneten Nachfolger aus?
Wichtigste Voraussetzung ist der unbedingte Wille, unternehmerisch tätig werden zu wollen. Hinzu kommt, dass ein Nachfolger auch die Fähigkeit mitbringen muss, ein Unternehmen zu führen. Dazu gehören eine entsprechende Ausbildung ebenso wie charakterliche Eigenschaften.

Wie sieht es bei der übergebenden Seite aus?
Ganz wichtig ist hier die Fähigkeit, das Unternehmen loslassen zu können. Man muss sich also auch um eine Alternative kümmern, was man mit der Zeit anfängt, wenn man nicht mehr jeden Tag im Betrieb ist.

Welche Kriterien muss ein Unternehmen erfüllen, damit es für einen Übernehmenden attraktiv ist? 
Auf der einen Seite muss es natürlich wirtschaftlich attraktiv sein. Das heißt, es muss für den Unternehmer genügend Gewinn erwirtschaften. Ein weiterer wichtiger Faktor ist aber auch die Sinnstiftung. Es gibt Unternehmen, die von ihrem Unternehmenszweck die Führung so erfreuen, dass sie dort gerne ihre Lebensenergie einsetzen.

Gibt es Branchen, in denen es besonders schwierig ist, einen Nachfolger zu finden?
Man kann schon sagen, dass es kleine Einzelhändler schwer haben, jemanden zu finden. Der Druck über den Internethandel ist einfach sehr groß. Da hat ein Transformationsprozess eingesetzt, der zu immer weniger Laufkundschaft führt. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend sicher noch einmal verstärkt. Aber solche Veränderungen hat es immer wieder gegeben. Vielleicht werden sich dafür neue Unternehmen gründen, die in die Lücken stoßen.

Ist die schwierige Nachfolgerfindung ein deutsches Problem?
Zumindest ist die Bereitschaft, Unternehmertum fortzuführen, bei uns leider nicht besonders groß. Das liegt auch daran, dass wir – anders als in den skandinavischen Ländern oder den USA – kein besonders gutes Bild von Unternehmern in der Gesellschaft haben. Ein Beispiel: Mit weitem Abstand ist der Mörder im Tatort am häufigsten ein Unternehmer. Mein Eindruck ist auch, dass in der Schule kein positives Bild vermittelt wird. Man sieht gar nicht, dass verantwortungsvolles Unternehmertum unsere Gesellschaft auch trägt. Ein junger Mensch findet daher kaum einen positiven Zugang zu diesem Thema. Wünschenswert wäre es aus meiner Sicht daher zum Beispiel, wenn Schulen Unternehmer als Partner hätten. Diese könnten dann ihre Erfahrungen an die Schüler weitergeben.

Interview: Jürgen Bröker

Lesen Sie in Heft 1/2022 des WESTFALENSPIEGEL eine Reportage über Unternehmen, die ihre Nachfolge schon geregelt haben. Gerne senden wir ihnen zwei kostenlose Ausgabe im Rahmen unseres Probeabos zu. Hier geht es zum Probeabo.

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