Bei Schäferin Ortrun Humpert passen Pyrenäenberghunde auf die Schafe auf. Foto: Jürgen Bröker
23.05.2022

Vierbeinige Mitarbeiter

Herdenschutzhunde sollen den Wolf von den Schafen fernhalten und so die Schäfer unterstützen. Dabei müssen die Hunde selbstständig Entscheidungen treffen.

Wenn sie zwischen den Schafen dösen, sind die Pyrenäenberghunde von Schäferin Ortrun Humpert und ihrem Mann Andreas kaum auszumachen. Die riesigen Hunde mit dem weiß-gelblichen Fell verschwinden in der Herde. Wehe aber, wenn sich eine potenzielle Bedrohung nähert. Sofort signalisieren sie mit lautem Gebell: Um diese Weide sollte man besser einen großen Bogen machen. Denn die Hunde verteidigen ihre Herde gegen jeden Eindringling.

Auch wer sich dem Stall von Schäferehepaar Humpert nähert, wird zunächst skeptisch angebellt. Gut, dass Ortrun Humpert die aufgebrachten Hunde schnell beruhigen kann. Im Stall selbst und mit den Schafen sind die bis zu 70 Kilogramm schweren Vierbeiner jedenfalls lammfromm. „Sie sind alle mit den Schafen aufgewachsen und fühlen sich als Teil der Herde“, sagt Humpert. Wie selbstverständlich lassen sie Lämmer auf ihren Rücken klettern, lecken Schafen über das Maul und kuscheln sich mit ihnen zusammen.

Aktuell hat Humpert 14 Hunde in ihrem Betrieb. Einige Junghunde würde sie gerne an andere Schäfer abgeben. „Der Bedarf ist da, aber nicht jeder Schäfer möchte die Hunde bei seiner Herde halten“, sagt Humpert. Das liegt zum einen an den Kosten: Bis zu 5000 Euro muss ein Schäfer für einen ausgebildeten Herdenschutzhund bezahlen. Liegt der Weidetierbetrieb in einem Wolfsgebiet wird die Anschaffung in Nordrhein-Westfalen zwar gefördert, der Unterhalt aber nicht. Und auch der kostet: So fallen Tierarzt- und Futterkosten regelmäßig an. Ein Hund reicht zudem nicht aus, um eine Herde zu schützen. Man benötigt mindestens zwei, besser sogar drei Hunde, die auf die Schafe aufpassen. Das könne sich aber nicht jeder Schäfer leisten, sagt Humpert.

Beschützer der Schafe

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Humpert mit den Pyrenäenberghunden zusammen und züchtet sie inzwischen auch. Damals hatte sie sich die Tiere angeschafft, weil ein Luchs immer wieder Schafe in ihrer Herde gerissen hatte. Heute sollen sie vor allem Wölfe von den Weidetieren fernhalten. Dazu müssen die Hunde einiges lernen. Die Kommandos „Sitz, platz, bleib“ gehören nicht dazu. „Dafür muss ein Hund lernen, den Wolf zu vergraulen. Spaziergänger, die an der Herde vorbeigehen, darf er aber nicht aggressiv angehen“, sagt Humpert. Welches Lebewesen draußen vor dem Zaun wirklich eine Bedrohung für die Herde ist, müssen die Hunde dabei selbstständig entscheiden. Denn die meiste Zeit sind sie mit den Schafen allein – und damit ihre wichtigsten Beschützer.

Jürgen Bröker

Dieser Beitrag ist aus Heft 3/2022 des WESTFALENSPIEGEL. Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Gerne senden wir Ihnen im Rahmen unseres Probeabos zwei Exemplare unsere Magazins kostenlos zu. Hier geht es zum Probeabo.

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