Vom Experiment zum renommierten Tanzzentrum: Das Pumpenhaus hat die freie Theaterszene mitbegründet
Münster (wh). Künstlerische Freiheit statt Verwaltung, Experimente statt Klassikeraufführung, Szenetreffpunkt statt Repräsentation. Im Theater im Pumpenhaus sollte alles etwas anders sein. Als Gegenpol zur traditionellen Theaterkultur wurde das Haus in Münster 1984 gegründet – als eines der bundesweit ersten freien Theater. Heute ist es ein renommierter Aufführungsort der internationalen Tanz- und Schauspielszene. Als herausragende Produktionsstätte wurde es zuletzt vom NRW-Kulturministerium mit 100.000 Euro gefördert.
Ludger Schnieder, Leiter des Pumpenhauses, hat diese Entwicklung begleitet. Nach eigenen Erfahrungen als Darsteller in Filmen und auf Bühnen, gründete er gemeinsam mit anderen politisch engagierten Schauspielern in einem alten Abwasserpumpenwerk ein Off-Theater. "Wir wollten uns nicht dem damals sehr bürgerlichen Stadttheatersystem anpassen", beschreibt er die Motivation. "Das war eine sehr hermetische Gesellschaft und es wurde ein traditioneller Theaterkanon abgearbeitet. Uns interessierten hingegen Stoffe, die sich mit unserer Lebensrealität auseinandersetzten."
Die Polarisierung und die Dogmen aus der Anfangszeit sind heute weitgehend überwunden. Das Pumpenhaus kooperiert mit den Städtischen Bühnen Münster und viele Zuschauer entscheiden sich eher nach dem Programm als nach der politischen Meinung für den Theaterbesuch. Um im Wettbewerb mit Stadttheatern und anderen freien Bühnen erfolgreich zu sein, hat Ludger Schnieder das Profil des Pumpenhauses klar ausgerichtet und verwaltet ein Budget von rund 800.000 Euro, das sich aus Mitteln der Stadt Münster, des Landes und aus eigenen Einnahmen zusammensetzt: "Wir konzentrieren uns stark auf den zeitgenössischen Tanz. Dabei haben wir Bodenkontakt zur lokalen und regionalen Szene, die wir seit Jahren begleiten, arbeiten aber auch mit spannenden nationalen und internationalen Künstlern zusammen." Dabei verfügt das Pumpenhaus über kein eigenes Ensemble, sondern beteiligt sich als Koproduzent an Produktionen. Diese werden finanziell unterstützt, einige auch in den Räumen in Münster inszeniert und geprobt. Zu den großen Erfolgen zählen die Inszenierung "36, Avenue Georges Mandel" des Wuppertaler Choreographen Raimund Hoghe, die 2007 zum renommierten Theaterfestival in Avignon eingeladen war, oder auch die Produktion "Halbstarke Halbgötter" des Münsteraner Anästhesisten Tugsal Mogul. Sein "Theater Operation" war im vergangenen Jahr mit dem Stück beim Heidelberger Stückemarkt vertreten, der als wichtigstes Forum für deutsche Nachwuchsdramatiker gilt.
Trotz aller Annäherung sieht Ludger Schnieder immer noch Unterschiede zwischen freien Bühnen und den Stadttheatern. "Es ist nicht so, dass der freie Bereich die Innovation gepachtet hat. Aber die Organisation ist weniger starr, so dass wir hier manches erlauben, was im Stadttheater eben nicht möglich wäre. Ich kann Künstlern mehr Zeit als die üblichen sechs bis acht Wochen zum Proben geben und im Extremfall könnte ich nur acht Veranstaltungen pro Monat zeigen. Das alles ginge im Stadttheater nicht."