Dortmunds Stadtarchäologe Ingmar Luther in der ehemaligen unterirdischen Gaststätte „Zur Grotte". Foto: Roland Gorecki/ Stadt Dortmund
23.05.2023

Vom Schutzbunker zur Kneipe

Archäologen der Stadt Dortmund haben einen ganz besonderen Tiefbunker erkundet. Im Zweiten Weltkrieg suchten die Menschen dort Schutz, nach dem Krieg Ablenkung in einer Kneipe.

„Zur Grotte“ hieß die Gaststätte treffend, in der es den Schoko-Eisbecher für 1,19 Mark und das Herrengedeck (ein Bier und einen Schnaps) für 3,20 Mark gab. Das zeigen die Funde, die Stadtarchäologe Ingmar Luther bei seinem Abstieg in die Dortmunder Unterwelt gemeinsam mit seinem Team gemacht hat. „Wir hatten bislang nur die Erzählungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vorliegen und ein paar sehr alte Pläne. Deshalb waren wir enorm gespannt, was uns da unten erwarten würde“, sagt Luther. Nun steht fest: Die Erwartungen wurden übertroffen.

Denn Einrichtung – unter anderem wurden eine Eismaschine, ein Ofen sowie ein Spültisch entdeckt – und Gegenstände, die die Fachleute im ehemaligen Schutzbunker gefunden haben, sind vielfach in einem guten Zustand. Und sie passen zu den Erzählungen von Zeitzeugen. „Wir wussten, dass irgendein Schankbetrieb hier unten stattgefunden haben soll. Aber dass es sich um eine Kneipe handelt, die auch noch richtig hergerichtet worden ist, überrascht uns wirklich“, so der Stadtarchäologe. Zwei Tage lang haben Luther und weitere Archäologinnen die ehemalige Bunkeranlage vermessen und einige Fundstücke archiviert.

Konzession lief 1971 aus

Bis zum Ende des zweiten Weltkriegs wurden die Räume unter dem Dortmunder Kreuzviertel als Rückzugsraum bei Luftangriffen auf Dortmund genutzt. Davon zeugen auch Schriften an der Wand, auf denen etwa „Schutzraum für Mütter und Kinder“ zu lesen ist. Weil nach dem Krieg intakte Räume in der Stadt selten waren, wurde wohl eine Konzession zum Betrieb einer Kneipe für den Bunker erteilt. Diese stamme wahrscheinlich aus dem Jahr 1948, so die Stadt Dortmund. Bis 1971 war sie gültig. Danach sei sie wohl nicht verlängert worden, weil inzwischen Dortmund wieder aufgebaut worden sei, mutmaßt Luther.

Für die Archäologen war es ein großes Glück, dass der Bunker nach dem Kneipenaus so gut verschlossen worden ist. „So ist alles noch sehr gut erhalten. Ich glaube nicht, dass vor uns schon mal jemand hier reingekommen ist, nachdem die Kneipe geschlossen wurde – und das ist wirklich gut so“, sagt Luther. Nach den Archäologen soll nun auch niemand mehr in die Räume hinabsteigen. In den unterirdischen Gängen könne Metangas in lebensgefährlichen Dosen vorhanden sein, heißt es weiter. Daher hat die Stadt alle Eingänge zur ehemaligen „Grotte“ mit tonnenschweren Beton verschlossen. Sie sollen nun für immer unerreichbar bleiben und damit vor Vandalismus geschützt werden.

jüb/wsp

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