Attrappen von Bienen- oder Wespennestern verbunden mit den typischen Summgeräuschen könnten die Wisente von bestimmten Flächen fernhalten. Foto: Pixabay
02.02.2023

Von Bienen, Elefanten und Wisenten

An der Universität Siegen forschen Biologen, wie sie die Wisente vom Betreten bestimmter Flächen abhalten können. Im Interview erklärt die Leiterin des Projekts, Prof. Dr. Klaudia Witte, vom Biologischen Institut wie das gelingen könnte.

Was ist das Ziel Ihrer Forschung?
Wir wollen erreichen, dass die Wisente bestimmte Bereiche im an das Projektgebiet angrenzenden Hochsauerlandkreis nicht mehr betreten. Dazu bedarf es vieler kleiner Schritte. Die Idee zu unserem aktuellen Projekt stammt aus Afrika. Dort wurden Elefanten mit Hilfe von aufgehängten Bienenkörben oder Lautsprechern, aus denen lautes Bienengebrumm ertönte, erfolgreich von landwirtschaftlich genutzten Flächen ferngehalten.

Was haben Elefanten mit Wisenten gemeinsam?
Das Prinzip könnte ähnlich funktionieren. Wisente haben zwar ein dickes Fell, aber auch zahlreiche empfindliche Stellen am Körper, etwa die Nase. Man kann davon ausgehen, dass die Tiere schon Erfahrungen mit Bienen, Wespen oder Hornissen haben. Vielleicht ist es sogar angeboren, dass sie es als Gefahrensignal wahrnehmen, wenn sie einen Bienenschwarm hören. Das wollen wir uns zu Nutze machen. Zunächst werden wir die Reaktion auf diese Geräusche an den Tieren testen, die im Gehege sind. Noch sind wir dazu aber bisher nur in den Vorbereitungen.

Warum hat man das nicht längst ausprobiert, die Probleme mit den wildlebenden Tieren gibt es doch schon länger?  
Die Idee gibt es schon länger. Aber erst jetzt stimmen die Rahmenbedingungen. Deshalb gehen wir das an und hoffen, dass es funktioniert. Denn dann hätten wir eine tolle nicht invasive Methode die Tiere zu lenken und von bestimmten Flächen fernzuhalten – nicht nur für die Wisentherde in Siegen-Wittgenstein, sondern auch für andere frei lebende Wisentherden.

Der aktuelle WESTFALENSPIEGEL

Was wurde denn bisher schon ausprobiert?
Vor allem gab und gibt es die Winterfütterung. Diese Fütterung benötigen die Wisente nicht, um im Winter in Freiheit zu überleben. In dem Projektgebiet gibt es ausreichend Nahrung für die Tiere. Aber mit attraktivem Futter kann man die Tiere im Winter in einem begrenzteren Gebiet halten.

Sie engagieren sich auch im Nabu und haben sich klar für eine Fortführung des Wisentprojekts eingesetzt. Warum?
Für mich ist nicht die Frage, ob das Projekt weitergeführt wird, sondern nur wie es weitergeführt wird. Es kann nicht sein, dass wir im 21. Jahrhundert, in dem wir ein massives Artensterben erleben, in einem der reichsten Bundesländer Deutschlands nicht in der Lage sind, dieser kleinen Gruppe an Wisenten einen Lebensraum bei uns zu bieten. Gerade die Wiederansiedlung ist ein wichtiger Baustein gegen das Artenverschwinden. Das muss möglich sein.

Wie frei ist die Herde, wenn es doch ein Herdenmanagement braucht?
Sie ist grundsätzlich freilebend. Wir brauchen ein Management, weil es zu Konflikten mit der Bevölkerung vor Ort kommen kann. Wenn es den Mensch nicht gäbe, bräuchte es auch kein Management. Das gilt im Übrigen nicht nur für freilebende Wisente, sondern auch für den Biber, für den Luchs und den Wolf. Überall gibt es Konflikte mit der Bevölkerung und da muss man Lösungen finden. Das ist bei den Wisenten nicht anders. Sie sind freilebend und sie sind auch herrenlos. Man darf ja nicht außer Acht lassen, dass von den inzwischen rund 30 Tieren 28 in Freiheit geboren wurden. Das sind ja keine Hausrinder.

Der Wert der Herde für den Artenschutz wird manchmal angezweifelt, da sich die Wisente auch durch Inzucht vermehren. 
Das Thema Inzucht wird viel zu hoch gehängt. Es existieren etwa 9600 Wisente weltweit. Und alle diese Wisente gehen auf zwölf Tiere zurück, einen Bullen und elf Kühe. Da kann man sich schon vorstellen, dass die genetische Variabilität von vornherein recht gering ist. Trotzdem haben sich aber die verschiedenen Populationen durch intensive Schutzprogramme entwickelt. Das ist gut so. Aber uns muss doch klar sein, dass die genetische Varianz nicht mehr so hoch ist, wie vor der Ausrottung der Tiere.

Interview: Jürgen Bröker, wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Wissenschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin