Vorbild aus dem Münsterland
Die Klimakonferenz in Scharm El-Scheich gilt als gescheitert. Es wurde viel geredet und wenig beschlossen. In Saerbeck im Münsterland redet man nicht so viel, man packt lieber an, wie unser Beitrag aus Heft 5/2022 des WESTFALENSPIEGEL zeigt.
Saerbeck im Münsterland ist wohl die Klima- und Energie-Vorzeigekommune in Nordrhein-Westfalen. Schon 2008 hat der Gemeinderat dort beschlossen, bis zum Jahr 2030 bilanziell klimaneutral sein zu wollen. Etwas mehr als die Hälfte der Zeit auf dem Weg zu diesem Ziel ist rum. Zeit für einen Besuch in der 7200-Einwohner-Gemeinde.
Schon die Einfahrt in den Ort macht deutlich: Saerbeck ist eine besondere Gemeinde. Auf dem Ortsschild steht neben dem Namen und der Kreiszugehörigkeit auch der Hinweis „Klimakommune NRW“. Auf zahlreichen Dächern arbeiten Photovoltaik-Module und wandeln Sonnenenergie in Strom um. Hinter der Glasfassade einer ehemaligen Schule im Ortskern arbeiten zwei Holzpellet-Öfen und versorgen die angrenzende Kirche, das Rathaus und eine Schule mit Wärme. Doch das eigentliche „Kraftwerk“ liegt ein paar Kilometer vor den Toren Saerbecks: der Bioenergiepark. Auf einem ehemaligen Militärgelände produzieren rund 24.000 Photovoltaikmodule, sieben Windräder und drei Biogasanlagen jährlich inzwischen mehr als viermal so viel Strom wie die Saerbecker verbrauchen.
„Klimagemeinde der Zukunft“
„Eigentlich müssten wir jeden Abend in die Tagesschau, weil die Botschaft, die von Saerbeck ausgeht, so wichtig ist“, sagt Guido Wallraven. Er ist Projektleiter der Klimakommune und von Anfang an dabei. Damals, 2008, hatte das Land NRW einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem eine Modellkommune gesucht wurde, die „Klimagemeinde der Zukunft“ werden wollte. Der damalige Bürgermeister von Saerbeck Wilfried Roos sah darin eine große Chance. Konzepte wurden erarbeitet. Sie umfassten 50 Seiten Papier und rund 150 Einzelmaßnahmen. Der überwiegende Teil ist bereits umgesetzt.
Der Erfolg ließ aufhorchen. Wusste beim Start des Projekts kaum jemand, wo Saerbeck eigentlich liegt, kommen inzwischen Delegationen aus ganz Deutschland, ja sogar aus Norwegen oder Chile. Sie alle wollen wissen: Wie hat die Gemeinde das geschafft? Und: Können wir das auch? Das, was andere Gemeinden vor allem von Saerbeck lernen können, klingt ganz einfach. „Wir machen, viele andere reden nur“, sagt Wallraven.
Genossenschaften betreiben Windräder und Solaranlagen
Ein wichtiger Schlüssel für den bisher erfolgreichen Weg sei, dass man die Bürgerinnen und Bürger von Beginn an mitgenommen habe. So wurden beispielsweise Genossenschaften gegründet, um Windräder und Solaranlagen zu bauen. Innerhalb kurzer Zeit seien über die Genossenschaft einige Millionen Euro zusammengelegt worden. Geld, das in erneuerbare Energien investiert wurde. „Heute bekommen die Investoren Rendite. So verdienen viele Saerbecker Geld mit Windrad und Solarpark“, erklärt Wallraven. Die Akzeptanz ist hoch.
Nach der Strom- sollen nun auch die Wärme- und Verkehrswende geschafft werden. Ein Beispiel: In zwei Neubaugebieten mit rund 200 Wohneinheiten soll Erdwärme genutzt werden. An zentraler Stelle der Bebauung werden mehrere Tiefenbohrungen vorgenommen. Von dort aus soll die Wärme in die Wohnungen verteilt werden. Für die nächsten Delegationen gibt es in Saerbeck also noch mehr zu sehen.
Jürgen Bröker