Der Regionalverband Ruhr wirbt für die Ruhrwahl, hier an einem Bus in Herne. Foto: Thomas Schmidt / Stadt Herne
20.08.2020

„Wahl ohne Wahlkampf“

Bei der Kommunalwahl am 13. September wird erstmals  die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr gewählt, kurz: das Ruhrparlament. Im Interview erklärt der Sozialwissenschaftler Prof. Jörg Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum, was diese Wahl bedeutet.

Herr Prof. Bogumil, das Ruhrparlament wird nun erstmals direkt gewählt. Was bedeutet das?
Die Bürger können nun selbst die Vertreter des Ruhrparlaments wählen, nachdem die Versammlung bislang gemäß dem Kommunalwahlergebnis mit Vertretern aus den Städten bestückt wurde. Viele Menschen nehmen vielleicht nun erstmals zur Kenntnis, dass es diese Vertretung gibt. Das ist ein positiver Aspekt. Das Problem dabei ist aber, dass die meisten Bürger nicht wissen, welche Aufgaben der Regionalverband wahrnimmt. Dass es dabei unter anderem um überregionale Wirtschaftsförderung, Regionalplanung und den Radwegeausbau geht, ist wenig bekannt.

Führt die Ruhrwahl zu einer Aufwertung des Parlamentes?
Früher wurde aus den Kommunen nicht immer die erste Riege der Politiker in das Ruhrparlament geschickt. Nun stellen die Parteien prominentere Gesichter für die Wahl auf, darunter auch einige bekannte Bürgermeister, die sich ins Ruhrparlament wählen lassen. Das ist wichtig, denn der Regionalverband lebt davon, dass die Bürgermeister ihn unterstützen, und an den Stellen, wo es sinnvoll ist, Aufgaben an den RVR abgeben.

Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Jörg Bogumil. Foto: RUB, Marquard

Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Jörg Bogumil. Foto: RUB, Marquard

Darf der Regionalverband nun auch mehr entscheiden?
Die Aufgaben des Regionalverbandes verändern sich nicht. Hinter der Wahl steht wohl aber die Hoffnung, dass der Verband profitieren kann, wenn es eine stärkere Legimitation des Parlamentes durch die Direktwahl gibt. Ob der Verband in Zukunft tatsächlich mehr Kompetenzen erhält, das hängt in erster Linie davon ab, ob die Kommunen bereit sind, überregionale Aufgaben abzugeben. Und das sind sie erfahrungsgemäß nur dann, wenn der Regionalverband ordentlich arbeitet und wenn dies einen Gewinn für die Kommunen bringt.

Wie schätzen Sie das Interesse der Wähler an der Ruhrwahl und den Kandidaten ein?
Hier beobachte ich nüchtern, dass die Bürger im Ruhrgebiet in der Regel nicht wissen, worum es dabei geht. Diese Wahl läuft praktisch ohne Wahlkampf ab. Die Parteien werben kaum für ihre Kandidaten, weil die Kommunen und die Ratsmandate ihre Priorität sind. Das führt dazu, dass sich die Bürger gar nicht inhaltlich über die Aufgabenbereiche des Regionalverbandes oder die einzelnen Kandidaten informieren, sondern nach ihrer Parteienpräferenz wählen. Als Konsequenz wird sich die Zusammensetzung des Ruhrparlamentes durch die Wahl voraussichtlich nur wenig im Vergleich zur Situation früher ändern. 

Interview: Annette Kiehl, wsp

Das Ruhrparlament
Die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) hat 91 Sitze. Die Mitglieder aus den 53 Städten und Gemeinden des Ruhrgebietes sind für fünf Jahre gewählt und entscheiden im Ruhrparlament über sämtliche Fragen, die den RVR beschäftigen. Dazu zählen die Regionalplanung und die Route der Industriekultur, die Entwicklung von Waldflächen oder das Tourismusmarketing in der Region. Sie wählen auch die Direktorin oder den Direktor des Verbandes.

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