Wasserstoff als Chance für die Region
Ob als Treibstoff der Zukunft oder als Speichermedium für regenerative Energie – Wasserstoff wird eine immer größere Rolle spielen. Und Westfalen spielt vorne mit.
Gemessen an seiner Dichte ist Wasserstoff das leichteste chemische Element. Um dieses kleine Element gibt es aktuell aber einen enormen Hype. Und Westfalen mischt dabei ganz vorne mit. Zum Beispiel in Herten: Wo einst die Kumpel auf der Zeche Ewald die Kohle für die großen Kraftwerke und Hochöfen der Region aus der Erde gegraben haben, dreht sich nun alles um Zukunftstechnologien. Und hierbei spielt Wasserstoff eine zentrale Rolle.
Schlüssel für die Energiewende
Im Schatten der Halde Hoheward liegt das Wasserstoff-Kompetenzzentrum „H2 Herten“. 2009 öffnete es seine Tore. Inzwischen sind dort 15 Unternehmen ansässig. Sie arbeiten unter anderem an unterschiedlichen Methoden der grünen Wasserstoffgewinnung oder daran, die Effizienz von Brennstoffzellen zu erhöhen. „Das Zentrum ist auch Forschungsplattform für die Windstromelektrolyse“, sagt Volker Lindner vom h2-netzwerk-ruhr, einem Verein zur Förderung von Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in der Region, dem mehr als 40 Unternehmen und Kommunen angehören und der seinen Sitz ebenfalls im Kompetenzzentrum hat.
Wasserstoff ist ein wahrer „Alleskönner“ und hat das Zeug zu einem Schlüssel für die Energiewende zu werden. „Wasserstoff ist das Erdöl von morgen“, sagt zum Beispiel auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek in einem Video, das auf der Ministeriums-Homepage zu sehen ist. So lassen sich Brennstoffzellenfahrzeuge emissionsfrei über die Straßen des Landes lenken. Auch Busse und andere Nutzfahrzeuge sogar Züge, Schiffe und Flugzeuge können auf Wasserstoffbasis fahren oder fliegen. Außerdem ist H2 in der Industrie einer der wichtigsten Ausgangsstoffe für Raffinerien und damit auch für die Herstellung synthetischer Brenn- und Kraftstoffe. Selbst bei so energieintensiven Prozessen wie der Stahlproduktion kann Wasserstoff Kohle als Brennstoff ersetzen, wie unlängst ein Versuch von ThyssenKrupp in Duisburg gezeigt hat.
Es klingt so, als sei Wasserstoff ein wahres Wundermittel. Mit ihm ist die Verknüpfung verschiedener Sektoren – Strom, Wärme, Mobilität und industrieller Prozesse – möglich. Allerdings drängt sich die Frage auf, warum das Thema erst jetzt Fahrt aufnimmt. „Die Technologie ist verfügbar, der Bedarf wächst zunehmend, und wir haben die Situation, dass wir preiswerte und effiziente Wasserstoff-Produktionsmöglichkeiten haben. Das ist noch recht neu und jetzt greift alles ineinander“, sagt Professor Christof Wetter von der Fachhochschule Münster am Campus Steinfurt. Dort lehrt er am Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt.
Wasserstoff aus Industrieabwässern
Die Investitionen in Wasserstoff- und Brennstoffzellenprojekte sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Seit der Jahrtausendwende sind allein in NRW rund 140 solcher Vorhaben mit etwa 170 Millionen Euro Landes- und EU-Mitteln und einem Projektvolumen von rund 260 Millionen Euro unterstützt worden, teilt die Energieagentur NRW mit.
Außerdem gibt es zahlreiche Förderwettbewerbe auf Bundes- und Landesebene, die Projekte auf diesem Gebiet anschieben wollen. Der Kreis Steinfurt hat sich etwa als eine von drei Regionen im Wettbewerb „Modellregion Wasserstoff-Mobilität NRW“ für die Finalrunde qualifiziert. Bis Ende Mai muss aus dem zwölfseitigen Grobkonzept, das für die erste Phase erstellt wurde, ein Feinkonzept werden. Sollte der Kreis damit gewinnen, werden weitere Gelder in die Region fließen, damit die vorgeschlagenen Projekte auf den Weg gebracht werden können.
In Steinfurt soll der Wasserstoff schon in wenigen Jahren unter anderem mindestens eine Buslinie im Kreis sowie eine Bahnstrecke versorgen. So ist geplant, dass ein Wasserstoffzug auf der Strecke der Tecklenburger Nordbahn zwischen Recke und Osnabrück fahren soll.
H2 ist Chefsache
Über den Bundeswettbewerb „HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland“ werden der Kreis Minden-Lübbecke gemeinsam mit der Stadt Bielefeld und dem Kreis Lippe auf dem Weg zur Wasserstoffmodellregion gefördert. Auch die Emscher-Lippe-Region hat hier den Zuschlag erhalten. Dort haben die Beteiligten aus Wirtschaft, Forschung und Politik erst im November auf einem Emscher-Lippe-Gipfel ihren Willen betont, die Region zur Wasserstoff-Region Nummer 1 zu machen.
Das Anliegen ist dort Chefsache. Regierungspräsidentin Dorothee Feller forciert das Thema. Sie will die strukturschwache Emscher-Lippe-Region zum „zukunftsweisenden H2-Valley Nordrhein-Westfalens“ machen, sagt sie gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL. Dafür gebe es ideale Voraussetzungen. „Die Partner für die industrielle Herstellung und Nutzung sowie die Infrastruktur sind zwischen Emscher und Lippe vorhanden“, so Feller. Nun komme es darauf an, die Kräfte zu bündeln und das Potenzial zu heben.
Jürgen Bröker
Der Beitrag ist ein Auszug aus dem Artikel „Alleskönner Wasserstoff“ aus dem WESTFALENSPIEGEL Ausgabe 1/2020. Sie möchten den gesamten Artikel lesen und den WESTFALENSPIEGEL kennenlernen? Bestellen Sie einfach Ihr kostenloses Probemagazin. Füllen Sie dazu einfach unser Kontaktformular aus oder schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff „Probeheft 1/2020“ an:
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