Die Wasserstoff-Pipeline der Air Liquide auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Westerholt in Herten/Gelsenkirchen. Foto: RDN
08.07.2021

Wasserstoff-Roadmap mit 40 Projekten

Die Emscher-Lippe-Region macht beim Thema Wasserstoff Tempo. Bis 2030 soll ein Maßnahmenkatalog mit einem Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro umgesetzt werden.

Mehr als 40 Projekte führt der vereinbarte Fahrplan für die Wasserstoffregion Emscher-Lippe auf, in der der Kreis Recklinghausen und die Städte Gelsenkirchen und Bottrop zusammenarbeiten. Konkret wird die „Roadmap H2EL“ zum Beispiel beim Thema Mobilität: So soll der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor, der heute noch bundesweit bei 7,3 Prozent liege, in der Emscher-Lippe-Region bis 2030 auf 30 Prozent steigen. Dann sollen 1.000 Lkw, 120 Busse und 100 Müllfahrzeuge von Brennstoffzellen angetrieben werden und in jeder Stadt mindestens eine Wasserstofftankstelle vorhanden sein. Die Gelder dafür sollen unter anderem aus dem Förderprogramm HyPerformer des Bundesverkehrsministeriums kommen.

Eineinhalb Jahre hat das Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an der „Roadmap H2EL“ gearbeitet. Ziel sei es, die industrielle Basis der Region zu sichern und neue Arbeitsplätze in zukunfts­sicheren Branchen zu schaffen. „Wir nutzen die vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen, um so schneller und kostengünstiger eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen als andere Regionen“, sagte der Landrat des Kreises Recklinghausen Bodo Klimpel bei der Vorstellung der Roadmap.

Klimahafen Gelsenkirchen

In Gelsenkirchen wollen Mittelstand, Binnenschifffahrt und Großindustrie in einem Verbundprojekt den Stadthafen zum „Klimahafen Gelsenkirchen“ umbauen. Energieintensive Industrieunternehmen planen dort ihre Prozesse von Erdgas auf kohlenstofffreie Energieträger umzustellen. Geprüft werde zudem die Einrichtung einer Wasserstofftankstelle im Stadthafen, die in einem ersten Schritt der Betankung von Lkw dienen, aber auch für die Hafenbahn und die Schifffahrt genutzt werden könnte, heißt es im Papier zur Roadmap. „Die Vorreiterrolle der Industrie kann den Weg zu Unternehmensansiedlungen ebnen und den konsequenten Einsatz von grünen Wasserstofftechnologien zu einem Exportschlager aus dem nördlichen Ruhrgebiet machen. Der Wandel geht weiter“, sagte Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge.

Stellten die Roadmap für die Wasserstoffregion Emscher-Lippe vor: Mark Rosendahl, Geschäftsführer DGB Region Emscher-Lippe, Bodo Klimpel, Landrat Kreis Recklinghausen, Dorothee Feller, Regierungspräsidentin Münster, Bernd Tischler, Oberbürgermeister Bottrop, Karin Welge, Oberbürgermeisterin Gelsenkirchen, Lars Baumgürtel, Vizepräsident der IHK Nord Westfalen, Dr. Jochen Grütters, stellv. Hauptgeschäftsführer IHK Nord Westfalen, und Thomas Harten, Geschäftsführer Handwerkskammer Münster (v.l.). Foto: RDN/Beushausen

Stellten die Roadmap für die Wasserstoffregion Emscher-Lippe vor: Mark Rosendahl, Geschäftsführer DGB Region Emscher-Lippe, Bodo Klimpel, Landrat Kreis Recklinghausen, Dorothee Feller, Regierungspräsidentin Münster, Bernd Tischler, Oberbürgermeister Bottrop, Karin Welge, Oberbürgermeisterin Gelsenkirchen, Lars Baumgürtel, Vizepräsident der IHK Nord Westfalen, Dr. Jochen Grütters, stellv. Hauptgeschäftsführer IHK Nord Westfalen, und Thomas Harten, Geschäftsführer Handwerkskammer Münster (v.l.). Foto: RDN/Beushausen

Der Übergang zu grünem Wasserstoff könnte beim Klimahafen später durch eine Anbindung an das GET H2-Nukleus-Projekt erfolgen. Dabei handelt es sich um eine Wasserstoffleitung, die ab 2024 große Mengen Wasserstoff von Lingen nach Marl und Gelsenkirchen führen soll. Sie gilt als wesentlicher Beitrag zum Ausbau der Wasserstoff-Region Emscher-Lippe.

„Nationale und regionale Grenzen überwinden“

In der Emscher-Lippe-Region gibt es 25.000 Arbeitsplätze allein in der Chemieindustrie und rund 60.000 Jobs im produzierenden Gewerbe. Es sei davon auszugehen, dass davon ein erheblicher Anteil gefährdet ist, wenn es nicht gelingt, die Produktion rechtzeitig auf Wasserstoff und Grünstrom umzustellen, so die Roadmap. Ziel sei es daher, mit der Wasserstofftechnologie bis 2030 neue Arbeitsplätze im mittleren vierstelligen Bereich zu schaffen und in der energieintensiven Industrie bis 2030 Arbeitsplätze im fünfstelligen Bereich zu sichern.

Die Regierungspräsidentin des Regierungsbezirks Münster sieht in der Nutzung und im Ausbau der Infrastruktur den zentralen Baustein auf dem Weg zur grünen Industrieregion. Schon jetzt gehe von der Emscher-Lippe-Region die längste Wasserstoff-Pipeline Deutschlands aus. Das vom Bund geförderte Projekt GET H2 werde ein öffentlich zugängliches Netz schaffen, das die Wirtschaft mit grünem Wasserstoff aus dem Emsland versorgt und perspektivisch die Wasserstoffregion Emscher-Lippe mit den Nordseehäfen Rotterdam, Antwerpen und Wilhelmshaven und dem Rheinland verbindet. „Wenn wir Wasserstoff nutzen wollen, um Arbeitsplätze im energieintensiven Gewerbe zu erhalten, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Klimaziele zu erreichen, dürfen wir nicht allein in Regionen denken. Es wird entscheidend darauf ankommen, nationale und regionale Grenzen entlang von Wertschöpfungsketten zu überwinden und sich kooperativ zu verbinden“, sagte Feller.

Die Ziele des Dekadenprojekts sind ambitioniert, das ist den Beteiligten bewusst. Die Umsetzung der Roadmap bis 2030 bedeute einen Kraftakt für die Region, das Ziel der Klimaneutralität stelle die Industrie vor enorme Herausforderungen, sagte Lars Baumgürtel, Vizepräsident der IHK Nord Westfalen. Um die Transformation zu meistern, müsse der Mittelstand genauso wie die Großindustrie Zugang zu grünem Wasserstoff erhalten. „Wenn wir jetzt gemeinsam anpacken und Projekte mit vereinten Kräften umsetzen, kann die Emscher-Lippe-Region an bewährte Stärken der Metropole Ruhr anknüpfen und zur Wasserstoff-Modellregion werden“, sagte Baumgürtel.

Wie geht es weiter?

Regierungspräsidentin Feller lädt am 4. Oktober auf der früheren Steinkohlenzeche Fürst Leopold in Dorsten zu einem weiteren Wasserstoff-Gipfel ein, dort soll das Konzept weiterentwickelt und konkretisiert werden. Außerdem sind Informationsveranstaltungen geplant, zum Beispiel am 14. September im Chemiepark in Marl.

jüb/wsp

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